Buchbesprechung/Rezension:

Klaus-Jürgen Bremm: 70/71
Preußens Triumph über Frankreich und die Folgen

Klaus-Jürgen Bremm: 70/71
verfasst am 21.10.2019 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Bremm, Klaus-Jürgen
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Fünf  Jahre nach dem Ende des amerikanischen Sezessionskrieges, der als der erste „moderne“ Krieg bezeichnet werden kann, erreichte mit dem Krieg Frankreich-Deutschland die industrialisierte Form des Krieges die Mitte des europäischen Kontinents. 1870/71 brachte die Zerstörung eines kurzlebigen Kaiserreiches und erschuf ein beinahe ebenso kurzlebiges neues Kaiserreich.

Der Krieg veränderte die politische Landkarte Europas und schuf damit zugleich die Ausgangslage für den noch viel mörderischeren 1. Weltkrieg, 44 Jahre später.

Der Krieg 1870/71 war in gewisser Weise ein Übergang von alter zu neuer Kriegsführung: während die Waffentechnik vorangetrieben wurde und damit auf immer größere Distanzen immer mehr Verwüstung angerichtet werden konnte, waren Kommunikation, Logistik und medizinische Versorgung erst noch auf dem Weg.

Klaus-Jürgen Bremm konnte für dieses Buch aus einer großen Menge an Dokumenten recherchieren. Das Resultat ist ein sehr detailreiche Chronik des Krieges, die gleichermaßen militärische wie politische Entscheidungen, Manöver und Auseinandersetzungen beinhaltet. Neben diesen „großen“ Ereignissen wirft das Buch aber auch, wenn auch weniger umfangreichen, Blick auf die Auswirkung des Krieges auf die einfachen Soldaten und die Zivilbevölkerung

Diese Entstehungsgeschichte des deutschen Kaiserreiches und der dritten französischen Republik ist für mich umso interessanter zu lesen, als in meinem Geschichtsunterricht naturgemäß das Habsburgerreich und die Geschichte Österreichs im Vordergrund standen.

So konnte ich aus „70/71“ enorm viel Neues erfahren und vor allem viel über die – nun glücklicherweise überwundene – jahrhundertelange unversöhnliche Rivalität zwischen Deutschen und Franzosen. Mit der Besetzung von Straßburg und Elsass-Lothringen durch deutsche Truppe und spätere Annexion durch das neu entstandene deutsche Kaiserreich gloste ein zusätzliches Feuer in der Beziehung beider Staaten, das im Jahr 1914 erneut und dann noch viel höher und heißer auflodern sollte.

Während mit Napoleon III. der letzte französische Kaiser abdanken musste, wurde mit Wilhelm I. der preußische König zum ersten deutschen Hohenzollern-Kaiser. Mit der Proklamation des deutschen Kaiserreiches und der Krönung im Spiegelsaal des Schlosses in Versailles mochte Kanzler Bismarck zwar sein Ziel erreicht haben und aus damaliger Sicht auch ein scheinbar wichtiges Signal an Frankreich gesendet haben; er schuf damit aber bei den Franzosen auch einen Mythos und das Gefühl der nationalen Schande, der in Frankreich noch lange nachwirkte.

So viele Information und Daten in eine lesbare Form zu bringen, ist eine Herausforderung an den Autor. Das gelingt Klaus-Jürgen Bremm ganz ausgezeichnet und er liefert eine ausgewogene Chronik, in der beiden Seiten gleichwertig Raum geboten wird.

Zum Verständnis der Geschichte Europas und wie es in weiterer Folge zu den Katastophen des 20. Jahrhunderts kommen konnte ist „70/71“ eine ausgezeichnete und wirklich sehr empfehlenswerte Lektüre. Überaus interessant fand ich u.a. dabei auch darüber zu lesen, wie alte Traditionen und moderne Zeit im Zuge der Auseinandersetzungen und Umwälzungen in beiden Staaten aufeinandertrafen.




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