José Saramago: Das Leben der Dinge
Autorin/Autor: Saramago, José
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Im Zeitalter des Besitzes, in dem wir oft unseren Wert an dem messen, was wir besitzen, gewinnen die Dinge, die wir besitzen, Macht über uns. José Saramago schrieb darüber phantastische und fantasievolle kurze Geschichten, die in ihrem Kern vieles aus unserem Leben beschreiben.
Es ist immer eine Mischung aus Fabel, Sage und Märchen; in meisterhafter Form nimmt sich Saramago einiger der Dinge und Werte an, die in den vergangenen Jahrzehnten zu Synonymen für Reichtum und Erfolg wurden. Nicht für alle Menschen, aber für viele, die sich ein Leben ohne diese Dinge einfach nicht mehr vorstellen können oder wollen.
Was es dann für eine Auswirkung hat, wenn ein Embargo der ölproduzierenden Staaten uns langsam aber sicher dazu bringt, die Autos stehen zu lassen, wenn sich immer längere Schlangen an den Tankstellen bilden, wenn immer mehr dieser Tankstellen die Zapfsäulen sperren, weil kein Treibstoff mehr in den Tanks lagert. In „Embargo“ kann ein Mann gar nicht mehr anders, als andauernd nur von einer Tankstelle zu nächsten zu fahren, immer auf der Suche nach Benzin; er fährt unnütze Strecken, verbraucht Benzin, tankt die verbrauchte Menge nach; alles völlig unsinnig, aber immer panischer in seiner Angst davor, mit leerem Tank stehen zu bleiben. Ist es nur das Auto, dass zum Leben erwacht, ihn dazu zwingt oder ist es seine eigene Furcht ..?
In „Rückfluss“ möchte der König eines Landes ein Tabu aus dem Alltag verbannen. Der Tod soll im Land nicht mehr allgegenwärtig sein, alle Friedhöfe werden aufgelassen und alle sterblichen Überreste, die man finden kann werden – Menschen und Tiere – in den neuen, riesigen Friedhof genau im Zentrum des Landes umgebettet. Ein Vorhaben, das am Ende daran scheitern muss, dass selbst der König an dem Ort begraben werden möchte, mit dem seine Erinnerungen verbunden sind.
Wie in einer Endzeitgeschichte versagen alle jene „Dinge„, die wir zum Leben brauchen. Aufzüge stehen, Türen geben nicht nach, Häuser stürzen ein. Was passiert, wenn das, was uns wie selbstverständlich umgibt und dient, versagt?
Aus einer alten Sage entsprungen, streift noch nach Jahrtausenden der letzte „Zentaur“ über die Erde. Die neuen Menschen fürchten ihn und der uralte Pferde-Mensch ist einsam. Eine berührende Erzählung über die Veränderung und darüber, wie man den Anschluss an neue Zeiten verlieren kann.
Es gelingt Saramago spielend, Bilder im Kopf zu erzeugen, die ganz von alleine zu Filmen werden, in denen man beinahe selbst mitwirken möchte. Sechs Erzählungen mit 20,30,40 Seiten, die jede für sich so viel mitbringen, wie ein ganzer Roman.