Georges Simenon: Maigret im Haus der Unruhe
Maigrets 0. Fall
Autorin/Autor: Simenon, Georges
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Alle Maigret-Romane schon gelesen? Im April 2019 musste man sagen: nein! Denn da erschien dieser Roman, der aus dem Jahr 1929 stammt und gewissermaßen ein „Vor-Maigret“ ist; einer von vier Maigrets, die im Kampa-Verlag erstmals in deutscher Sprache erscheinen. Der Untertitel „Maigrets 0. Fall“ ist somit kein Schreibfehler.
„Im Haus der Unruhe“ hat etwas von einem surrealen Theaterstück. Verwirrende Erkenntnisse vermischen sich mit dem sehr befremdlichen Verhalten beinahe aller Beteiligten.
Eine dieser Verwirrungen: ist die Frau, die mitten in der Nacht bei Maigret am Kommissariat auftaucht und einen Mord gesteht, tatsächlich genau jene, die Maigret später am Tatort wieder trifft? Die erste Frau verschwand aus Maigrets Büro, er rügt sich wegen seiner eigenen Nachlässigkeit, die zweite erklärt sehr überzeugend, den Kommissar noch niemals zuvor gesehen zu haben.
Dann ist da noch Christian, der Bruder dieser Frau und ihr Vater und Henry, der Neffe des Mordopfers. Sie alle scheinen unwirklich und legen ein Verhalten an den Tag, also wären sie allesamt nicht recht bei Sinnen – man hat überdies den Eindruck, als wären einige der Beteiligten gleich in mehrfachen Ausgaben ihrer selbst vorhanden. Oder ist es nur Maigret selbst, der einfach nicht den richtigen Blick auf den Fall hat?
Ein wenig seltsam ist dieser Roman und er wirkt auf mich abgehackt, streckenweise wie zusammengestückelt und unvollständig. Maigret selbst wirkt hier auch noch „unvollständig“. Georges Simenon gestattet seinem Kommissar in diesem Krimi Unsicherheiten und Unachtsamkeiten, etwas, das dem erfahrenen Kommissar in späteren Romanen niemals passieren könnte. Der Fall selbst ist über-konstruiert, so als ob Simenon eine Geschichte erzählen wollte, die sich im wahren Leben niemals ereignen könnte.
Ein früher Maigret-Roman, der im Sinne der Vollständigkeit der Sammlung gelesen werden sollte. Interessant vor allem deshalb, weil man darin einen der berühmtesten Romanhelden der Literaturgeschichte noch mitten in der Entwicklung seines Charakters erlesen kann – „Maigret under construction“ gewissermaßen.