Buchbesprechung/Rezension:

Steffen Kopetzky: Propaganda

Steffen Kopetzky: Propaganda
verfasst am 04.04.2020 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Kopetzky, Steffen
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Als Leutnant an der Westfront im 2. Weltkrieg, als Major in Vietnam: der deutschstämmige John Glueck arbeitet für die Division für Psychologische Kriegsführung der US Armee, was ihn nicht nur an die Kampfstätten bringt, sondern ihm auch mehr Einblicke in Strategien und Hintergründe verschafft als den normalen Offizieren und Soldaten.

Seinen ersten wirklichen Fronteinsatz gegen den Gegner hat John Glueck in der Schlacht im Hürtgenwald in der Eifel. Was sich für ihn bis dahin als großen Abenteuer anfühlte, wird zum brutalen, monatelangen Abschlachten, dem auf beiden Seiten der Front zehntausende zum Opfer fallen. An der Seite des Kundschafters Van Seneca, einem Irokesen, der einerseits Latein beherrscht und andererseits in der Tradition seiner Vorfahren Skalps von deutschen Soldaten sammelt, erlebt Glueck den Wahnsinn des massenhaften Sterbens.

Es gibt Bücher, die wehren sich lange dagegen, dass man sich mit ihnen anfreundet und es gibt solche, mit denen wird man nie so richtig warm. Dieses Buch schaffte es mit dem ersten halben Absatz, meine vollen Aufmerksamkeit zu gewinnen. Gelegentliche Längen haben insgesamt nichts daran geändert, dass dieser herausragende Roman eine ganz außergewöhliche Lebensgeschichte erzählt.

John Glueck auf historischen Pfaden

Eng verwoben mit der Realität führt der Weg des John Glueck ihn zusammen mit Persönlichkeiten der Weltgeschichte und an Orte von geschichtlicher Bedeutung. So trifft er Ernest Hemingway und erinnert sich an dessen Schwächen und Eigenarten; oder er kann davon erzählen, wie J.D. Salinger seine ersten Stories veröffentlichte, denn er war dabei; und dann sind da seine Erinnerungen an den Rassimus in den Armeen der Alliierten, in denen Soldaten mit dunkler Hautfarbe mit sterben durfen, dabei aber doch immer Menschen zweiter Klasse blieben.

Mit ungemein viel Detailwissen um die tatsächlichen Vorgänge lässt Steffen Kopetzky seinen Protagonisten von den Kämpfen, dem Krieg und dessen Organisation, berichten. Während die Ardennenoffensive der Deutschen im Winter 1944 weitgehend bekannt ist, ist die Schlacht um den Hürtgenwald, die das zentrale historische Element dieses Romanes bildet, weitaus weniger in der interessierten Öffentlichkeit bekannt; John Glueck gerät dort mitten in einen der unzähligen Brennpunkte des 2. Weltkrieges, jeder einzelne davon ein Ort und eine Zeit des Sterbens und der Unmenschlichkeit. Die im Roman geschilderten Kämpfe um das Dorf Schmidt sind als Allerseelenschlacht in die Geschichte eingegangen und kosteten tausenden Soldaten das Leben – eine vermeidbare Katastrophe infolge unzähliger Fehlentscheidungen auf amerikanischer Seite.

Gluecks Lebensgeschichte hat mit allen ihren Begegnungen durchaus Ähnlichkeit mit der von Forrest Gump, nur mit einer ganz anderen Art von Tragik – Glueck ist das, was „Whistleblower“ nennen würde. Der wirkliche Fokus des Romans liegt allerdings darauf, wie es einem Menschen ergeht, der mitten im Grauen des Krieges war; wie lebt er in seinen späteren Lebensjahren, was bleibt an ihm hängen, was an Erinnerung ist verdrängt, aber nicht verschwunden.

Im Jahr 1971 scheint die Situation für John Glueck kompliziert zu werden. Als er in einer Verkehrskontrolle angehalten wird, muss er dem Polizisten gestehen, dass er keinen Führerschein hat und außerdem präsentiert er dem Officer seine geladene Waffe. Glueck muss in einer Gefängniszelle in Missouri auf seine Verhandlung warten; eine Zeit, die er nützt um seine Erinnerungen an den Hürtgenwald nieder zu schreiben: was mit der Landung in der Normandie begann, endete ein Vierteljahrhundert später mit der Enthüllung der US-Pläne für Indochina: den Pentagon Papers.

Warum er mehrere Monate im Gefängnis verbringen muss, bevor es überhaupt zum Prozess kommt, ist für den Fortgang der Handlung unerheblich. Als es dann aber darum geht, warum John Glueck überhaupt in diese absurde Situation gelangte, die ihn ins Gefängnis brachte … ab diesem Moment wird aus der Biografie / Kriegsreportage auf einmal ein spannender Roman.

„Propaganda“ kann man also mit vielen Attributen versehen und vielen Genres zuordnen.
Für mich ist die herausragende Charakterisierung diese: „Propaganda“ ist ein mächtiger Roman gegen den Krieg und gegen die Kriegstreiber.

Wer mehr über die Themen des Buches erfahren möchte:
Die  Schlacht im Hürtgenwald
Die Pentagon Papers




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