Buchbesprechung/Rezension:

Martin Grassberger: Das leise Sterben
Warum wir eine landwirtschaftliche Revolution brauchen, um eine gesunde Zukunft zu haben

Martin Grassberger: Das leise Sterben
verfasst am 05.06.2020 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Grassberger, Martin
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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Das Wissenschaftsbuch des Jahres 2020 in der Kategorie Naturwissenschaft/Technik!

Wer in einer Großstadt wohnt, wird wahrscheinlich ein gänzlich anderes Bild von unserer Umwelt und im Speziellen von der “Kulturlandschaft” haben als jemand, der in einer Kleinstadt oder am Land” wohnt. Denn, das ist die sehr betrübliche Erkenntnis: nur weil etwas grün und frisch aussieht, muss es noch lang nicht gesund sein.

Wer wie ich in einer solchen Kleinstadt lebt und sehr oft in der Natur unterwegs ist, erlebt direkt mit, wie die heute praktizierte Landwirtschaft mit den Ressourcen umgeht:

  • immer größere werdende Anbauflächen, ohne jegliche schützende Vegetation dazwischen
  • immer größere Maschinen, die die Bodenstruktur zerstören
  • riesige Monokulturen, die immens anfällig gegenüber Schädlingen sind
  • verdichtete Böden, die schon bei nur kurzer Trockenheit erodieren und kein Wasser speichern können
  • Einsatz von Sprühmitteln, deren Wolken man kilometerweit riechen kann und die jedes Leben in den Felder vernichten
  • Gülle wird in immensen Mengen ausgebracht und damit das Grundwasser kontamaniert

Diese Liste ließe sich noch lange erweitern …

Landwirtschaft in Österreich ist schon lange in den Händen einiger weniger Agrarindustrieller, die nicht nur überhaupt nicht nachhaltig arbeiten, sondern für die Zerstörung der Natur auch noch die meisten Subventionen erhalten. Eine viel zu einflußreiche Lobby aus Agrarvertretern und Vertretern der Nahrungsmittel- und chemischen Industrie verhindert seit Jahren die Änderung des Systems, mit immer dramatischeren Folgen für das Land.

Wenn der Klimawandel zu höheren Temperaturen und mehr Wetterextremen führt, dann haben die land- und forstwirkschaftlich genutzten Flächen keine Reserven mehr, um dagegen zu halten. Und wieder wird die Hand aufgehalten, diesmal für den Ersatz von selbst verschuldeten Ertragsausfällen.

Martin Grassberger hat sich mit diesem Buch sicher keine Freunde bei den im Buch angesprochenen Branchen gemacht. Ob er aber im Gegenzug mit seinem Buch bei der breiten Bevölkerung  ein Umdenken im Hinblick auf die Herkunft und die Nutzung von Lebensmitteln bewirken wird, das ist jedoch auch nicht sehr wahrscheinlich.

Jedenfalls ist dieses Buch ein Pflichtprogramm für alle, denen es nicht egal ist, was mit unserer Umwelt und mit unseren Lebensräumen passiert. Immerhin ist die Landwirtschaft einer der größten Mit-Verursacher des Klimawandels.

Sehr dicht folgen Daten und Fakten und Informationen aufeinander, man wird beim Lesen förmlich überrollt von der schieren Menge. Die Zeit, das alles zu lesen, sollte man sich nehmen – und vielleicht schon beim nächsten Einkauf das hier Erfahrene berücksichtigen.

Es ist eine Sammlung der schon bekannten und in den Medien publizierten Themenbereiche, ergänzt um die wissenschaftliche Basis. Dazu kommen, jedenfalls für mich, viele weniger bekannte Fakten und vor allem der wesentliche Teil: das Zusammenführung dieser vielen Einzelthemen zu einem umfassenden Gesamtbild.

Weit über die Landwirtschaft hinaus reichen diese Themenbereiche, weil die Ernährung eben ungemein umfasst: die Evolution, die Politik, Biologie und Chemie, Geschichte und Zivilisation, Artenvielfalt und Vegetation. Wenn man es genau nimmt: alles gehört in das von Martin Grassberger, sehr überzeugend und wissenschaftlich untermauert, entwickelte Gesamtbild über den Zustand unserer Welt; und darüber, wie es weiter gehen kann.

Dieses Buch ist ein Lexikon über das, was ganz grundsätzlich falsch läuft und zugleich ein Handbuch für alle, die es zukünftig besser, richtiger machen wollen. Und obwohl so vieles davon wirklich einfach und simpel in der Umsetzung wäre und es überhaupt keine Argumente gibt, so weiter zu machen wie bisher, geschieht (fast) nichts.

Im Gegenteil jault zB. die Agrarlobby auf, wenn ein Umwelzgift wie Gylphosat verboten werden soll, verkündet das drohende Ende der Nahrungsversorgung.

Warum ist die Chance für Veränderung nicht allzu groß?
Dazu muss man sich nur die Bauernvertreter in den Landwirtschaftskammern ansehen, die sich gegen jede Änderungen stemmen (wer das wohl finanziert?). Ein besonders unerfreuliches Beispiel für unmoralische Anbiederung an die Lobbies ist die aktuelle deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner; die ist regelmäßig Gast in diversen Marketing-Filmchen der Nahrungsmittelindustrie und betreibt seit Jahren freundlich lächelnd lupenreine Lobby-Politik zugunsten ihrer Geldgeber und zu Lasten der  Menschen und der Natur …

Und die Konsumenten?
Solange die das billigste Schnitzel und die billigsten T-Shirts kaufen, haben Produzent und Handel keinen Anlass, etwas zu ändern. Alles unter dem Motto: nach mir die Sintflut!




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