Alex Beer: Das schwarze Band
Ein Fall für August Emmerich - Band 4
Autorin/Autor: Beer, Alex
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Was über diesen Roman zu sagen ist: 1. Nach 348 Seiten ist er leider schon zu Ende. 2. Es hätten noch viele Seiten mehr sein können, denn es ist 3. aufregend, spannend und versetzt die Leserin/den Leser zurück in das Jahr 1921, man hat das Gefühl, diese Zeit mitzuerleben.
Als Kriminalinspektor August Emmerich bei einem offiziellen Empfang über den neuen Bundeskanzler Johann Schober nicht gerade schmeichelhaft herzieht, hört der Betroffene leider alles mit. Schlecht für Emmerich, der sich mit seinem ruppigen Verhalten auch sonst nicht oft Freunde macht; nun sogar den Bundeskanzler zum Gegner zu haben, das ist allerdings auch für Emmerich eine neue Dimension des Aneckens.
Die Retourkutsche für Emmerichs Unverschämtheiten folgt, jedoch zu einem Zeitpunkt, der nicht unpassender sein könnte.
Am Vormittag eilt Emmerich mit seinem Assistenten Winter zu einem Tatort, drei tote Frauen habe man gefunden. In der schäbigen kleinen Wohnung finden die beiden Polizisten dann aber nur zwei junge Frauen: ermordet – am Tatort fehlen seltsamerweise jegliche Spuren vom Täter, obwohl es hier zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen sein musste. Zeugen finden sich im Haus keine, niemand hat etwas gesehen oder gehört, man ist Lärm und Geschrei zu jeder Tages- und Nachzeit gewohnt und hört einfach nicht mehr hin.
Und wo ist die dritte Frau, die hier wohnt?
Am Nachmittag des selben Tages ist Emmerich suspendiert. Ein paar Wochen nach seinem Fehltritt beim Empfang für Schober wird er zu einem Lehrgang abkommandiert, bei dem er Benehmen und angemessenes Verhalten lernen soll. Keine Chance für den Inspektor, sich dem zu entziehen, denn falls er nicht teilnimmt, kann er seinen Job überhaupt los werden. Assistent Ferdinand Winter ist nun für einige Tage ganz auf sich alleine gestellt.
Wenn etwas an den Vorgängen und der zeitlichen Überschneidung seltsam erscheint – der Mord, die verschwundene dritte Frau, die Schadenfreude von Emmerichs Konkurrenten Brühl, dieser eigenartige Lehrgang – dann erweist sich dieser Eindruck schon bald als gerechtfertigt. Denn alles das scheint mit einer Intrige in der Politik zu tun zu haben. Eine Intrige, in deren Fokus der Bundeskanzler und damit die ganze noch junge Demokratie stehen.
Noch mehr als in den ersten drei August Emmerich-Romanen lässt Alex Beer die Leserinnen und Leser in die Zeit kurz nach dem Ende des 1. Weltkrieges und dem Ende der Habsburgermonarchie eintauchen. Österreich ist drei Jahre nach dem Zerfall des Kaiserrreiches noch ein labiler Staat, an dem zerstörerische Kräfte von Außen und im Inneren zerren. Zugleich bestimmen Armut und deprimierende Lebensumstände die Existenz der Mehrheit der ÖsterreicherInnen und lassen keine Hoffnung auf Besserung aufkommen. Auf der anderen Seite konnte einige wenige ihre Privilegien und vor allem auch ihren Reichtum in die neue Zeit herüber retten. Die jahrhundertlange alte Ordnung ist zerstört, die neue Ordnung hat sich noch nicht etabliert.
Alles zusammen ein perfekter Nährboden für Verbrechen, Korruption, Unmoral. In diesem Umfeld spielt „Das schwarze Band“ und man wird beim Lesen tatsächlich in die Zeit versetzt. Alex Beer beschreibt diese Welt von vor 100 Jahren ganz außerordentlich realistisch. Eine Welt, die für uns heute schier unvorstellbar ist und doch lebte es sich an den selben Orten, an denen wir uns heute vergleichweise mehr oder weniger sorgenfrei aufhalten, im Jahr 1921 völlig anders.
Zwischen Ungläubigkeit darüber, wie Menschen damals hausen mussten und wie sie von einem Tag auf den anderen nie wussten, wie es weiter gehen würde und der hitzigen Spannung, die Emmerichs und Winters Spurensuche – geschickt hinein verwoben in die wirklichen geschichtlichen Ereignisse des Jahr 1921 – erzeugt, lässt sich das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen.
Womit ich wieder beim Punkt 1. angelangt bin: ich hätte sehr gerne noch viel mehr davon gelesen!
PS: der nächste August Emmerich-Krimi kommt hoffentlich bald; ich kann es kaum erwarten.