Buchbesprechung/Rezension:

John Bolton: Der Raum, in dem alles geschah
Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus

John Bolton: Der Raum, in dem alles geschah
verfasst am 20.08.2020 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Bolton, John
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Einerseits ist es kaum zu glauben, dass ein notorischer Lügner wie Donald Trump noch immer Präsident der USA ist und von einer großen Zahl der US-Amerikaner erneut gewählt werden würde; andererseits sind die Meldungen über immer neue Lügen und Beleidigungen, die der Mann verbreitet, doch so faszinierend, dass man Berichte darüber beinahe zwanghaft immer wieder verfolgen muss.

John Bolton, der ehemalige Nationale Sicherheitsberater der Trump-Regierung liefert mit seinem Buch die oft sehr detaillierten Hintergrundinformationen zu dem, was wir dann in den Nachrichten über Trumps bizarre Auftritte und Aussagen zu sehen bekamen.

Bolton war für 17 Monate im Amt und bedingt durch seine Funktion in beinahe permanentem Kontakt mit Trump. Die Themen betreffen die Außenpolitik, was sich zu selben Zeit innenpolitisch in den USA tat, wird im Buch nur kurz gestreift.

Bolton, der Falke

Damit man es richtig einordnen kann: der Autor John R. Bolton unterstützt im Grunde selbst auch das meiste, was Trump ideologisch gesehen repräsentiert – Bolton ist ein Ultra-Konservativer, einer der typischen Vertreter der Republikanischen Partei, die Noam Chomsky so treffend als „die gefährlichste Organisation der Welt“ bezeichnet.

Bolton war Teil der Irakkriegs-Fraktion mit Cheney, Rumsfeld, Wolfowitz, der nach den Anschlägen 9/11 alle Mittel recht waren, einen Krieg im Nahen Osten zu beginnen (aus dieser Zeit weiß Bolton damit selbst sehr genau, wie mit Lügen Politik gemacht wird, Stichwort „Massenvernichtungswaffen“).

Eigentlich also ganz auf der Linie des Trump-Slogans, der zwar „America First!“ lautet, in Wahrheit aber „ME first“ bedeutet, beschreibt Bolton, wie er mit Trump u.a. darin übereinstimmt, den Umweltschutz einzuschränken, Obamacare abzuschaffen, das Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen und sonst noch allerlei, was in den vergangenen Jahren auf der Tagesordnung der US-Regierung stand und die USA immer weiter in Richtung eines Failed State trieb und treibt.

Wenn nun einer wie Bolton beginnt, über Trump auszuplaudern, dann lässt sich erkennen, wie katastrophal die Zustände in der US-Regierung wirklich sind.

Live aus dem Weissen Haus

Die Informationen zu diesem Buch kommen direkt aus den Büros im Weißen Haus, das die dort agiertenden Personen zu einem großen Teil als korrupt, verlogen, inkompetent und primär auf den eigenen Vorteil bedacht, entlarvt. Das ist zwar nicht neu, wird aber von Bolton mit sehr vielen Zitaten und Berichten aus erster Hand untermauert.

Man liest darüber, wie der Präsident empfänglich für Einflüsterungen aus allen möglichen Ecken ist; wie die Organisationen der Regierung oft gegeneinander intrigieren; wie Trump, die Republikanische Partei und auch Bolton selbst zwanghaft daran arbeiten, möglichst alles, was während der Obama-Regierung in die Wege geleitet wurde, umzukehren; wie Trump aus reiner Geltungssucht völlig unkontrollierbar mit seinen Tweets die Position der USA in der Welt schwächt und untergräbt.

Überhaupt ist die Anbiederung Trumps an Diktatoren und autokratische Herrscher ein oft aufgegriffenes Thema Boltons: ob Putin, Kim Jong-un, Xi Jinping oder Erdogan – im direkten Aufeinandertreffen mit solchen Leuten ist Trump immer unkontrollierbar und schließt bei den Gesprächen gerne auch die eigenen Mitarbeiter aus. Vier-Augen-Gespräche, so von Herrscher zu Herrscher, entsprechen wohl Trumps Selbstverständnis als vermeintlich mächtigster Mann der Welt. Gesprächsinhalte sind in solchen Fällen meist nur bruchstückhaft zu rekonstruieren.

Dass Trump auch, weil er wohl meint, dass er noch immer Darsteller einer Reality-Show ist, sich öffentlich oft abfällig über das eigene Land und die Amerikanerinnen und Amerikaner, deren gewählte Vertreter und seine eigenen Mitarbeiter äußert, passt perfekt ins Bild des Narzissten, der er zweifelsfrei ist.

Korruption und Familienbande

Die offensichtlich illegalen Aktionen Trumps in der Ukraine waren dann für Bolton der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Bolton trat zurück, weil der Versuch Trumps, durch Erpressung der Ukraine belastendes Material über Joe Bidens Sohn zu erlangen und er dafür Hilfszahlungen als Druckmittel einsetzte, ganz eindeutig gesetzwidrig waren und Bolton direkter Zeuge von Trumps entsprechenden Anweisungen wurde.

Das Chaos in der Adminstration, ein Präsident, der nicht für das Land sondern nur für den eigenen Nutzen handelt, Trumps Schwiegersohn und Tochter, die völlig ahnungslos bei Vorgängen mitmischen, zu denen sie tatsächlich überhaupt keinen Zugang haben sollten und dann Trumps Ukraine-Erpressung: nach nur 17 Monaten trat Bolton von seinem Amt  zurück und reihte sich damit in die lange Reihe jener ein, die nach kurzer Zeit die Admininstration Trumps verließen.

Gescheitertes Impeachment-Verfahren

Wie man im Buch nachlesen kann (und wenn man sich mit seinem Lebenslauf befasst), dann ist Bolton ein Vertreter der sehr weit rechts stehenden Republikaner. So wie er es selbst beschreibt, ist für ihn jedoch die Verfassung der Vereinigten Staaten die Basis für jedes Handeln des Präsidenten und der Regierung, ganz unabhängig von irgendeiner politischen Ausrichtung.

Den Boden der Verfassung haben Trump und viele Repräsentanten seiner Administration längst verlassen, so Boltons Fazit. Das gescheiterte Impeachment-Verfahren im Herbst 2019 hätte nach Boltons Meinung sehr wohl zu einer Amtsenthebung Trumps führen müssen, Trump habe ganz eindeutig gegen Gesetze verstoßen.

Doch auch in dieser Einschätzung kann Bolton seine eigene enge Sichtweise nicht überwinden. Denn er macht die Demokraten dafür verantwortlich, dass der Senat gegen die Amtsenthebung stimmte. Hätten die Demokraten in dieser Sache anders agiert, dann hätten, nach Boltons Ansicht, auch im Senat einige Republikaner gegen Trump gestimmt.

Damit hat Bolton wohl selbst nicht ganz verstanden, dass es den derzeitigen gewählten Vertretern der Republikaner längst nur noch um die Sicherung des eigenen Amtes geht und nicht um das Land. Denn die Republikanische Mehrheit im Senat hatte nie die Absicht, die Fakten ernsthaft zu prüfen – es ging immer nur um Wiederwahl und Macht.

Bolton lässt hinter die Kulissen blicken. Was man sieht (liest), ist zugleich erschütternd wie beunruhigend. Bolton zitiert den ehemaligen Stabschef John F. Kelly, der gesagt haben soll: „Was würde passieren, wenn wir mit Trump als Präsidenten jemals in eine echte Krise gerieten?“ (S. 485). Nun, Krisen gab es und Trump richtete schon viel Schaden an.

So richtig eskalierte die Lage aber erst nach Boltons Ausscheiden: Covid-19 und #BlackLivesMatter zeigten der Welt (und hoffentlich auch einer großen Mehrheit der US-WählerInnen), dass mit Trump ein Präsident im Weissen Haus sitzt, dem die Menschen völlig gleichgültig sind, der wirklich alles tut, um nochmals gewählt zu werden; auch wenn es Menschenleben kostet.




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