Buchbesprechung/Rezension:

Mathilde Schwabeneder-Hain: Sie packen aus
Der Kampf gegen die Mafia ist weiblich!

Mathilder Schwabeneder-Hain: Sie packen aus
verfasst am 14.09.2020 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Schwabeneder-Hain, Mathilde
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Mafia? Aber das betrifft doch nur Italien!

Ein Klischee, das leider nicht den Realitäten entspricht. Die italienische Mafia hat sich nicht nur in den Vereinigten Staaten breit gemacht, ihre Arme reichen weit hinein in die Staaten Europas darunter natürlich auch Österreich, Deutschland und die Schweiz. Nur hin und wieder wird uns das bewusst, wenn Mafiamorde in den Nachrichten landen – meistens aber bleibt das organisierte Verbrechen unbemerkt, versucht sich Stück für Stück in den Strukturen von Staaten einzunisten; so wie es in Italien schon seit Generationen geschieht und funktioniert.

In „Sie packen aus“ porträtiert die Journalistin und ORF-Korrespondentin Mathilde Schwabeneder-Hain zehn Italienerinnen, die sich ganz dem Kampf gegen die Mafia verschrieben haben.

Die Mafiajäger waren in der Vergangenheit vor allem Männer, die berühmtesten davon wahrscheinlich Giovanni Falcone, Paolo Borsellino und Carlo Alberto Dalla Chiesa, die in den 1980er und 1990er-Jahren ihr Engagement mit dem Leben bezahlten. Seit den späten 1990er Jahren hört man – jedenfalls außerhalb Italiens – nur noch wenig über die Morde der Mafia, solche spektakulären und fatalen Bombenanschläge wie die auf Falcone und Borsellino, die weltweite Empörung auslösten, gab es schon länger nicht mehr.

Doch die Mafiafamilien sind weiterhin hochaktiv, haben aber oft ihre Aktivitäten verändert. Was unverändert blieb, das ist die enge Verflechtung der Mafia mit Justiz, Politik, Kirche und Wirtschaft. Ganze Regionen werden von den Familien permanent ausgeplündert, die Menschen verarmen, viele wandern aus.

Mathilde Schwabeneder-Hain porträtiert die zehn Frauen anhand deren Aktivitäten und Engagement gegen die Mafia. Sie alle teilen zumindest eine gemeinsame Erfahrung: sie wissen wie schwer und gefährlich es ist (und hier unabhängig davon, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt), offen Stellung gegen die Mafia zu beziehen. Es ist zu lesen, wie die Justiz noch immer mit der Mafia zusammen arbeitet, um unliebsame Menschen zu schikanieren, wie Priester noch immer mehr oder  weniger offen die Mörder und Verbrecher unterstützen, wie – oft mit Erfolg – versucht wird, die Politik zu unterwandern und Helfershelfer an einflussreiche Positionen gelangen. Die Mafia agiert in vielen Teilen des Landes nach wie vor ungeniert, es wird gemordet, bestochen und gedroht.

Dem gegenüber gelingt es viel zu selten, in die Strukturen der Organisationen einzudringen und es ist immer ein ungeheurer Aufwand an Personal und Zeit erforderlich, um die Verbrecher dingfest zu machen.

Es sind Anwältinnen, Politikerinnen und Polizistinnen und Frauen, die ein Leben unter permanenter Bedrohung in Kauf nehmen und sich dem Kampf gegen Korruption und Gewalt verschrieben haben. Einige der Interviewten wurden bereits Opfer. Alle sind beeindruckende Frauen, die letztendlich nichts weniger als ihr Leben riskieren.

Deshalb finde ich es auch überraschend und mutig, dass sich fast alle bereit erklärt haben, mit ihren Namen und Fotografien in diesem Buch porträtiert zu werden. Ich glaube nicht, dass ich ebenso mutig sein könnte. Doch damit geben sie dem Kampf gegen das Verbrechen ein Gesicht und zeigen auf, dass es Menschen gibt, die sich nicht mit der Verfilzung von Verbrechen und Zivilgesellschaft abfinden wollen.

Die Porträts der Frauen und eine ganze Reihe von detailliert beschriebenen Fällen aus den Mafia-Akten: es ist bestürzend zu lesen, wie es unter uns, neben uns, meistens unbemerkt aber immer präsent, Strukturen der Mafia gibt, die in ununterbrochener Folge ihre Einflussbereiche auszuweiten versuchen.

Nur manchmal findet dies Niederschlag in der medialen Berichterstattung – meistens aber nur dann, wenn wieder einmal eine spektakuläre Aktion stattgefunden hat.

Wir haben es aktuell mit einer Menge von weit öffentlichkeitswirksameren Problemen zu tun, da ist es nicht verwunderlich, dass manches aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwindet. Die Mafia-Organisationen nützen auch diese Krisensituationen für verstärkte Aktivitäten, Berichte über vermehrte Übernahmen von in finanzielle Schieflage geratenen Unternehmen in Italien konnte man in den letzten Monaten in den Medien verfolgen.

Es ist deshalb ein guter Zeitpunkt, zu dem dieses Buch erscheint; eine mahnende Erinnerung daran, dass Klimakrise und Pandemie leider nicht die einzigen Herausforderungen sind, denen sich die zivilisierte Welt stellen muss.




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