Buchbesprechung/Rezension:

Bob Woodward: Wut

Bob Woodward: Wut
verfasst am 21.10.2020 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Woodward, Bob
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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Es gibt ein paar Dinge auf der Welt, von der man sich wünscht, sie würden einfach verschwinden (oder noch besser: wären niemals da gewesen). Dazu gehören – unter vielen anderen – das Corona-Virus, Donald Trump, H.C. Strache, leere Energy-Drink Dosen am Straßenrand, … 

Es dauert hoffentlich nicht mehr lange und einer aus dieser Liste ist wirklich nur mehr Geschichte. Für Schriftsteller und selbsternannte Enthüllungsautoren (oftmals ehemalige Trump-Mitarbeiter und Unterstützer) ist Trump allerdings eine wahre Goldgrube. Ich glaube nicht, dass jemals zuvor über einen US-Präsidenten bereits während dessen Regierungszeit so viele Bücher erschienen sind und wenn Bob Woodward nun schon das zweite Buch über Trump veröffentlicht, dann ist das auch nicht alltäglich.

Noch müssen wir bis zum 3. November 2020 warten um zu wissen, ob die USA wieder in den Kreis der westlichen Demokratien zurückkehrt, oder ob sich die Rassisten, Rechtsextremisten und Rückwärtsgewandten endgültig durchgesetzt haben und Trump nochmals gewählt wird. Bis dahin ist „Wut“ von Bob Woodward eines der vielen Bücher, die sich mit einem Staat befassen, der von Trump und den Republikanern in seinen demokratischen und gesellschaftlichen Grundfesten erschüttert wird; wenn auch eines, das die Fakten aus einer neutralen Sicht betrachtet, ganz im Sinne  von Woodwards Credo und Reputation als allseits geschätzter Journalist.

In diesem Buch geht es vor allem mit den Strukturen und Abläufen hinter den Kulissen. Es ist damit auch eine Ergänzung und Fortsetzung von Woodwards ersten Trump-Buch „Furcht“ aus dem Jahr 2018.

Noch einmal wird die Geschichte erzählt, wie nach dem Wahlsieg im November 2016 zuerst das Team zusammengestellt wurde, mit dem Trump die Regierung bilden sollte. So viele Namen seit damals kamen und gingen wird mit dieser Reportage noch einmal ganz deutlich sichtbar, wie alle jene, die innerhalb der Trump-Administration eigene Meinungen vertraten und sich gegen irrationale, gefährliche oder rechtswidrige Entscheidungen wehrten, entlassen wurden.

Übrig geblieben sind heute solche Leute wie Rudy Guliani (Anwalt Trumps, der wohl bald selbst vor Gericht stehen wird) oder Mike Pompeo (Außenminister, der zwar konzilianter im Umgang ist, aber Trumps erratische und gegenüber den demokratischen Staaten aggressive Außenpolitik vollends mitträgt)  die mit allen Mitteln für Machterhaltung und Wiederwahl agitieren, um ihre Jobs zu behalten; egal, ob es gut für das Land ist oder nicht – meistens wohl zum Schaden des Landes.

Wenn die Anzahl der Enthüllungen in Woodwards Buch durchaus überschaubar ist, dann gibt es nichtsdestotrotz einiges, das zuvor in der Öffentlichkeit nicht bekannt war, bzw. die einfach immer wieder in Erinnerung gerufen werden sollten, um die autokratischen Ambitionen Trumps zu dokumentieren.

  • Trump strich im Jahr 2018 die finanziellen Unterstützungen für die Palästinensergebiete. Dem voraus war die Präsentation eines Videos durch den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu gegangen, in dem Palästinenserpräsident Mahmud Abbas angeblich beim Aufruf zum Mord an israelischen Kindern. Dieses Video war ganz offensichtlich gefälscht und Außenminister Rex Tillerson wies Trump darauf hin. Doch Trump hielt das Video für echt.
  • Trump Vieraugen-Gespräche mit Kim Jong-un und Putin, über die es keine vollständigen Aufzeichnungen gibt.
  • Umgehende Begnadigungen von rechtskräftig verurteilten Trump-Unterstützern
  • Die schon vor dem Erscheinen des Buches bekannt gewordene bewusste Verharmlosung des Corona-Virus durch Trump, der schon sehr frühzeitig auf die Gefahr hingewiesen wurde, dies aber immer abstritt.
  • Die Überheblichkeit und Egozentrik Trumps, der nur Ja-Sager dauerhaft um sich duldet.
  • Trumps stetige Versuche, das Wahlsystem und die Demokratie der USA zu destabilisieren (zum Zweck der eigenen Machtsicherung und mit heftiger Unterstützung der Republikanischen Partei).
  • Trumps Methode, Menschen, die er nicht mag, die er loswerden möchte oder die er als Hindernis für seine Wiederwahl sieht, auf persönlicher Ebene mit Lügen öffentlich zu attackieren.
  • Die dubiose Rolle von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner
  • In welcher „Symbiose“ Trump und Fox News voneinander leben und die Lügen des jeweils anderen kühl kalkulierend als Wahrheitsbeweis für eigene Lügen benützten.
  • Wie im Grunde leicht Trump beeinflussbar ist, wenn man ihm schmeichelt und seine vermeintliche Wichtigkeit betont
  • Trumps Bewunderung für autoritäre Herrscher
  • uvm.

Wie eng und auf ihn selbst zentriert Trumps Weltbild ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er Bob Woodward bereitwillig für Interviews zu diesem Buch zur Verfügung stand; vielleicht in der Meinung, im persönlichen Gespräch den erfahrenen und in allen politischen Lagern geschätzten Journalisten Woodward von seiner, Trumps, Großartigkeit überzeugen zu können. Dieses Vorhaben ist völlig misslungen. Die wörtlichen Zitate von Trumps Aussagen während dieser Interviews lassen vielmehr an einen pubertierenden Teenager denken, einen Angeber und ein Großmaul.

Einen großen Teil des Buches nimmt das Thema Covid-19 ein, womit auch eine sehr umfangreiche Dokumentation der Vorgänge seit dem ersten Bekanntwerden des Ausbruches der Seuche in Wuhan verbunden ist. Es ist so etwas wie ein Tagebuch der Erkenntnisse, Fehler, Maßnahmen, Vertuschungen und Folgen dessen, was uns seit Anfang des Jahres in Atem hält und wie das alles vom Präsidenten der USA vor allem unter dem Blickpunkt, wie es seiner Wiederwahl schaden oder nutzen konnte, behandelt wird.

Woodward beschreibt in seinem Buch nicht nur Trumps Agieren, sondern er schreibt auch sehr detailliert über einzelne, ehemalige Mitarbeiter der Trump-Administration, die entweder selbst entschieden, ihren Job aufzugeben oder die in typischer Trump-Manier hinausgedrängt wurden. Diese Kapitel zeigen, oftmals aus sehr persönlicher Perspektive der Betroffenen beschrieben, wie jene, die für das Land arbeiten wollten, zuletzt immer aufgaben, weil es gegen Trumps irrationale und auf dessen persönlichen Vorlieben basierenden Entscheidungen kein Mittel gab und weil dieser Präsident klare Fakten meistens ignoriert. Aber es gibt natürlich auch diejenigen, die weiterhin und voller Enthusiasmus für Trump arbeiten. Interessant ist zu lesen, was deren Motivation ist und was sie mit ihrem Engagement erreichen wollen.

Rex Tillerson, Jim Mattis (ehemaliger Verteidigungsminister), Dan Coats (ehemaliger Geheimdienst-Direktor) und einige mehr haben ihre Erinnerungen mit Bob Woodward geteilt und liefern damit einen tiefen und ungemein interessanten Einblick in die Abläufe und die Kommunikation der US-Regierung. Eine Regierung, die nach Absicht des gewählten Präsidenten vorrangig dafür arbeiten sollte, seine Wiederwahl zu sichern; egal mit welchen Methoden, egal, wie viele Lügen dafür verbreitet werden müssen. Alle diese ehemaligen Amtsträger und Mitarbeiter, die im Buch zu Wort kommen, haben am Ende etwas gemeinsam: sie wissen, dass der Mann im Oval Office für das Amt nicht geeignet und gefährlich für das Land ist.

Was Woodwards Buch auszeichnet, das ist die professionelle Berichterstattung über nun beinahe vier Jahre Trump. Und eben weil Woodward so ausgewogen und unaufgeregt schreibt, gewinnen die Beschreibungen der Versäumnisse, Fehler und Betrügereien noch mehr an Gewicht.

PS: Wollen wir hoffen, dass Trump von den WählerInnen eine ähnliche Abfuhr erfährt wie kürzlich der unsägliche H.C. Strache bei der Wahl in Wien.




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