Buchbesprechung/Rezension:

Lutz Wilhelm Kellerhoff : Teufelsberg
Wolf Heller ermittelt 2

Lutz Wilhelm Kellerhoff: Teufelsberg
verfasst am 16.03.2021 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Lutz - Wilhelm - Kellerhoff
Genre:
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Eine Zeitreise und ein Thriller: beides für sich und ineinander verwoben ergibt das einen packenden Roman, angesiedelt im Berlin des Jahres 1969.

Der Mord: Rebecca Hirsch, die Frau eines Richters, wird ermordet, obwohl ihre Wohnung nach anonymen Drohungen von der Polizei beobachtet wird. Kommissar Wolf Heller ist jener Polizist, während dessen Schicht der Mord geschieht. Nur wenige Minuten an Unaufmerksamkeit haben gereicht, genug Zeit für den Mörder.

Berlin im Sommer 1969: eine Stadt im Aufruhr. Studentenproteste, Anschläge durch Linksextremisten, alte Naziverbindungen, die noch immer fest in den Strukturen des Staates sitzen, die allgegenwärtigen Spione aus Ost und West. Das Mordopfer ist Jüdin, die Zahl der möglichen Täter ist daher groß, denn Israel und damit für die Fanatiker auch jeder einzelne Jude und jede einzelne Jüdin ist das Feindbild aller Extremisten. Dazu kommen, es sind noch nicht einmal 25 Jahre seit dem Ende Nazideutschlands vergangen, die Fälle, in denen es um die Rückstellung des von Nazis und Opportunisten geraubten jüdischen Eigentums geht.

Dieser eine Mord an Rebecca Hirsch ist nur die erste von vielen Herausforderungen, die Heller und seine Kollegen bewältigen müssen. Der Mörder ist bald gefunden, doch leider nur mehr als Leiche. Eines aber stellt als sicher heraus: dass Rebecca nicht das neueste Opfer eines Serienmörders wurde, der schon mehrere Frauen ermordet hat.

In beiden Fällen ergeben sich bald Verbindungen zum KBG. Juri Andropow, der Chef des KGB, hat eine Sabotageaktion in Auftrag gegeben, einen Anschlag, der am Ende dazu führen soll, dass Westberlin an die DDR fällt. Ein sowjetischer Spion wird in die Stadt geschleust, der sich der Mitglieder der radikalen Linken bedient, um eine Bombe an einen noch nicht bekannten Ort zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zur Explosion zu bringen. Der Agent kommt dabei ganz nahe an Heller heran, als er in dessen persönliches Umfeld eindringt.

Es muss sich noch herausstellen, ob die Mordkommission überhaupt die nötigen Mittel und Fähigkeiten hat, weiteres Unheil zu verhindern. Die ersten Misserfolge bei den Ermittlungen geben wenig Anlass zur Hoffnung.

Im Zentrum des Geschehens steht ein tatsächlicher Anschlagsversuch aus dem Jahr 1969. Viele der Namen, die man im Buch liest, gehören deshalb zu real existierenden Personen, die damals mit dem Fall zu tun hatten oder zu tun gehabt haben könnten.

Es ist für Autoren, die im Jahr 2021 einen Roman über das Jahr 1969 schreiben nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich, die Motivation und die Zukunftsperspektiven der Menschen von damals nachzuvollziehen. Wenn wir heute an damals denken, dann beziehen wir eben auch automatisch das mit ein, was  in den vergangenen mehr als 50 Jahren geschah, was wir seither gelernt und erfahren haben. Das bedenkend, ist dem Autoren-Team ein Roman gelungen, der in bemerkenswerter Weise im Jahr 1969 verankert ist.

Mit dem Blick auf die extreme linke Szene (deren Helden damals die Terroristen Baader, Meinhof und Kunzelmann waren) wird deutlich, wie nahe einander doch die Nazis und die radikalen Linken sind. Die äußersten Ränder des Ideologie-Spektrums verband damals wie heute weitaus mehr als sie trennte. Beide Lager einte damals, unter anderem, der Antisemitismus und dass die Männer hier wie da Frauen als Menschen zweiter Klasse betrachteten.

Während es nach meinem Empfinden hervorragend gelungen ist, die Verhältnisse des Jahres 1969 nachzuzeichnen – das Aufeinandertreffen der alten Nazi-Seilschaften mit der ungestümen und (leider) allzu zu oft selbst ideologisch fehlgeleiteten oder überschießenden Nachkriegsgeneration – springt für mich der Funke bei der eigentlichen Krimihandlung weniger über als erhofft. Die Spannung will nicht so richtig zünden, jedenfalls ist es in dieser Beziehung nicht ganz so beeindruckend wie im ersten Krimi des Autoren-Trios.

Beide Aspekte zusammen machen aus „Teufelsberg“ einen interessanten Roman, der vor allem mit vielen Details über eine Zeit des Umbruches punkten kann: über die Generationenkonflikte, die Zeit des Kalten Krieges, Berlin im Brennpunkt der Spannungen zwischen Ost und West, die Gleichstellung von Mann und Frau, die Radikalisierung der Linken. Man wird an die Spannungsfelder 1960er und 1970er-Jahre erinnert und dabei feststellen, dass vieles davon heute (wieder) aktuell ist bzw. vieler der Probleme noch immer nicht gelöst sind.




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