Wolfgang Wissler: Kolumbus, der entsorgte Entdecker
Das Desaster des legendären Seefahrers
Autorin/Autor: Wissler, Wolfgang
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Da gab es die „Entdecker“, die für ihre europäischen Herrscher die unbekannten Länder jenseits der Ozeane in Besitz genommen haben. Für Spanien, für England oder Frankreich. Sie hießen Columbus, Vespucci, Cook und ihre Entdeckungsreisen (besser: Eroberungszüge) füllen die Geschichtsbücher.
Daneben gibt es aber auch die wahren Geschichten vom Alltag, die nicht von Geschichtsschreiber abgeschliffen und schöngefärbt wurden. Solche Geschichten, wie es die sein könnte, die Wolfgang Wissler in seinem Buch erzählt.
Von Beginn an erinnert mich dieser historisch basierte Roman an Franzobels „Die Eroberung Amerikas “. Nicht im literarischen Stil, aber in der Betrachtungsweise: Es ist hier wie dort ein Buch über eine barbarische Zeit mit Barbaren, die sich Eroberer oder Statthalter oder Gouverneure nennen, mit unzivilisierten Seefahrern, mit Mördern, die im Namen ihrer christlichen Religion gewissenlos die Länder verheerten.
Hier wird die Geschichte des Christoph Columbus auf seiner letzten Fahrt in die neue Welt erzählt. Als er schon längst von seinem König fallengelassen worden war, als er den Spaniern zur Last fiel, wie man ihn loswerden wollte.
Gestrandet auf der Insel Jamaika wartet Columbus mit einem kleinen Rest seiner Mannschaft auf Rettung. Doch die scheint nicht zu kommen, weil man ihn in Wahrheit gar nicht mehr retten möchte – soll er doch auf irgendeiner Insel verschollen bleiben, Hauptsache man hört und sieht nichts mehr von ihm. Wie es zu dem Schiffbruch auf Jamaika kam, wie die Mannschaft meuterte, wie die Ureinwohner Jamaikas mit dieser Gefahr umzugehen hatten, die die „Weißhäutigen“ darstellten, davon liest man hier.
Ein Gefühl für diese grausame Welt voller Intrigen kam man beim Lesen dieses Buches bekommen. Wenn man das mit dem vergleicht, was man historisch verbürgt über die Untaten der Konquistadoren weiß, dann mag es durchaus so gewesen sein. Da ist kein Gedanke an tapfere Entdecker, keiner von Wertschätzung gegenüber den Entdeckten. Nur ums Gold und um Macht und um Tod und Verderben geht es.
Der alternde Columbus sitzt nun auf der Insel fest, mit Mühe nur kann er seine Position als Admiral und Vizekönig gegenüber seinen Leuten behaupten, Meuterei liegt in der Luft. Obwohl auch selbst davon überzeugt, in allen Belangen über den Eingeborenen zu stehen, meidet er Gewalt. War Columbus eine Ausnahme, war er tatsächlich anders, menschlicher, als Hernan Cortes und Francisco Pizarro, die Verbrecher im Dienst der spanischen Krone? Wolfgang Wissler jedenfalls charakterisiert den noch immer „Entdecker Amerikas“ bekannten Columbus empathischer, mitfühlender als die meisten seiner Zeitgenossen es waren.
Columbus starb nicht auf Jamaika, er schaffte es zurück nach Spanien.
Wie die Geschichte zeigt, war Columbus weder der Entdecker Amerikas, noch gab er dem Kontinent seinen Namen, noch war er ein guter Mensch nach heutigem Verständnis. Aber berühmt blieb er über die Jahrhunderte, ganz im Gegensatz zu vielen, die wirklich Gutes taten und deren Namen unbekannt blieben. Dieses Buch ist so etwas wie ein Abgesang auf einen Mann, der zuerst hoch aufstieg, um später tief zu fallen. Als er im Jahr 1506 im Alter von 55 Jahren starb, war er längst vergessen.