Maj Sjöwall, Per Wahlöö: Die Terroristen
Ein Kommissar-Beck-Roman, Band 10
Autorin/Autor: Sjöwall & Wahlöö
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Der Abschluss und in vieler Hinsicht der Höhepunkt der Original-Reihe mit Kommissar Martin Beck. Mehr ein Politthriller als ein Kriminalroman sind die Themen des Romanes in erschreckender/verblüffender Weise auch noch heute, 45 Jahre nach der Veröffentlichung, aktuell.
Wie schon der Titel sagt, ist es diesmal die Erwartung eines Terroranschlages, die Martin Beck, den Leiter der schwedischen Reichs-Mordkommission beschäftigt. In einer Zeit, in der die Demonstrationen gegen die USA, vor allem wegen des Vietnamkrieges in Europa oft zu gewaltsamen Zusammenstößen führen, ist der Besuch eines US-Senators in Schweden ein Ereignis, das die höchste Terrorwarnstufe auslöst.
Martin Beck wird zum Leiter der Sicherheitsmaßnahmen für den Staatsbesuch ernannt. Zur Vorbereitung der Sicherheitsmaßnahme wird unter anderem sein Kollege Gunvald Larsson als Beobachter zu dem Staatsbesuch eines mittelamerikanischen Präsidenten in ein südliches Land entsendet. Larsson wird dort unmittelbarer Zeuge eines Anschlages, den die Terrororganisation ULAG ausführt. Das Markenzeichen dieser Organisation ist es, Anschläge ohne jede Rücksicht auf Unbeteiligte durchzuführen, im konkreten Fall sprengte eine Bombe in der Gasleitung unter der Straße nicht nur den Präsidenten, sondern auch dutzende Schaulustige in die Luft.
Für Larsson, Beck und das leitende Sicherheitsteam ergeben sich daraus unschätzbare Hinweise, wie man den auch in Schweden zu erwartenden Anschlag der LAG verhindern kann.
Staatsbesuche sind die eine Sache, doch Beck ist auch noch ganz normaler Polizist und Ermittler. Der Fall einer jungen Frau, die wegen eines Bankraubes vor Gericht steht und der Mord an einem Pornofilmproduzenten beschäftigen Beck zu selben Zeit.
Wie ein dramatisch aufbereiteter Polizeibericht liest sich der Roman. Da das Buch annähender den doppelten Umfang der früheren Beck-Romane hat, bleibt auch viel Platz für private Geschichten rund um Beck, Larsson und deren Kolleginnen und Kollegen. Wobei: rein privat sind auch die nicht, denn es ergeben sich immer wieder Verbindungen zur aktuellen Arbeit der Polizisten.
Manchmal sehr dramatisch und spannend, manchmal langatmig, liest sich der Roman wie in Wellen. In gewohnter Weise ist die politische und soziale Situation zur Zeit der Veröffentlichung ein ebenso zentrales Thema wie die Beschreibung der Polizeiarbeit. Was daraus aktuell geblieben ist, das ist die Bedrohung durch den Terror, der sich von beiden extremen Ende des politischen Spektrums ausbreitet. Während Polizeiorganisation auch heute noch dazu neigen, auf dem rechten Auge blind zu sein und den Terror von Rechtsextremisten gerne verharmlosen, waren Sjöwall & Wahlöö ganz eindeutig auf dem linken Auge blind.
Das zweite verblüffend aktuell wirkende Thema ist der Fall des Pornoproduzenten Petrus. Unwillkürlich muss man bei der Beschreobung seiner Person udn der Art, wie er junge Frauen missbraucht, an den Fall Harvey Weinstein denken, der über Jahrzehnte unter dem Schutz seiner Machtposition Gewalt gegen Frauen ausüben konnte.
„Die Terroristen“ ist so unglaublich präzise in seinen Beschreibungen, dass man sich förmlich mitten im Geschehen fühlt. Tatsächlich schwach ist der Roman jedoch dann, wenn es um die Aufklärung und Lösung der anstehenden Probleme geht – dann ist es für meinen Geschmack sehr banal ein einfach gestrickt, was sich Sjöwall & Wahlöö dazu ausgedacht haben.
Mit diesem Band 10 endete die Reihe. Es ist nicht eindeutig, ob der Grund für das Ende der Reihe der Tod von Per Wahlöö im Jahr 1975 war oder ob überhaupt nur zehn Romane geplant waren.
Weil sich aber der politische Anspruch seit dem ersten Band immer mehr in den Vordergrund geschoben hat und das Krimi-Element im Gegenzug immer mehr in den Hintergrund geriet, war es wohl richtig, das Projekt Martin Beck mit diesem Roman zu beenden.