Stefan Zweig: Maria Stuart
Autorin/Autor: Zweig, Stefan
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Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Stefan Zweig versuchte sich an der Enthüllung der wahren Lebensgeschichte der Maria Stuart (1542-1587). Die Königin Schottlands war schon zeitlebens – und ist es heute umso mehr – eine von Mythen und Legenden umrankte Person, was sich in unzähligen Dokumenten über niederschlug, die allesamt ein schier undurchdringlichen Dickicht schufen, das den Blick auf die Wirklichkeit verstellte.
Wenn nun Stefan Zweig diese Mammutaufgabe übernommen hat, durch das Dickicht zu blicken, dann kann man sich, dann darf man eine eindrucksvolle Biografie erwarten, voller sprachlicher Finesse und dokumentarischer Klarheit. Doch auch dabei mag man sich nicht allzu sehr darauf verlassen, dass alles, was in diesem Buch steht, auch wirklich so war – es bleibt noch immer viel der Interpretation und dem Blickpunkt der Betrachter überlassen.
Weil die Original-Quellen so spärlich und auch so subjektiv, oft verfälscht oder nur Kopien von Kopien sind, ist die Beurteilung Maria Stuarts und ihres Verhältnisses zur englischen Königin Elisabeth I. so sehr abhängig von Standpunkt des Betrachters. Ob katholisch oder protestantisch, englisch oder schottisch – aus unterschiedlichen neuzeitlichen Biografien oder Dokumentationen wird man ebenso viel Unterschiedliches erfahren. Zweigs Maria Stuart ist eine emotionale, eine leidenschaftliche, deren eigen Fehler sie am Ende das Leben kosten.
Stefan Zweig nun verarbeitet das Leben der Königin in einer geradezu hymnischen Biografie, die eher an eine Shakespearsche Tragödie als an ein Geschichtsbuch erinnert. Zweig selbst zieht in dramatischen Momenten solche Vergleiche. Nachdem ich nun schon einige der großartigen Roman-Biografien Zweigs gelesen habe, so ist diese nun für mich die ausschweifendste, die subjektivste, die „dramatisierteste“.
Die historischen Fakten sind korrekt, dabei gibt es für Zweig keinen Millimeter Abweichung, jede historische Figur ist an ihrem Platz, spielt die von ihr historisch bekannte Rolle. In der Charakterisierung Maria Stuarts aber lässt Zweig seiner Begeisterung für diese legendäre Frau jedoch freien literarischen Lauf. Selbst wenn er dann über ihre Schwächen schreibt, oder über die Fehler, die sie beging, so betrachtet er doch alles aus der wohlwollenden Perspektive. Stefan Zweig war ganz ohne Zweifel ein Fan von Maria Stuart.
So liest sich diese Biografie wie ein spannender, aufregender historischer Roman, dessen Ende man natürlich kennt, der jedoch den kurzen Lebensweg der Königin so plastisch und atmosphärisch dicht beschreibt, dass man jedes neue Kapitel in Erwartung stürmischer Entwicklungen zu lesen beginnt und niemals enttäuscht wird. Gelegentlich ist Zweig dann aber zu überschießend, zu theatralisch – insgesamt lässt sich wohl sagen, dass in diesem Buch Sprache immer vor Inhalt kommt. Dann verschwinden hinter Zweigs dramatischen Schilderungen und Assoziationen die reinen Fakten.
Kein Buch für Leserinnen, die sich ausschließlich für die historischen Fakten interessieren, aber eines für die LeserInnen, die einmal diese Jahrzehnte in Rahmen eines abwechslungsreichen, überraschenden und dramatischen Romanes quasi hautnah miterleben möchten. Man sollte aber bei aller Freude am Lesen nicht vergessen, dass Stefan Zweig recht viel subjektive Beurteilung verarbeitet hat.
Am Ende wird man – so erging es jedenfalls mir – unweigerlich auch selbst ins Lager der Maria Stuart gewechselt sein, so unbedacht und absonderlich auch viele ihrer Entscheidungen gewesen sein mögen. Man wird mitfiebern und mitleiden und am Ende bei denen sein, die sich ein besseres Ende für die schottische Königin gewünscht hätten.