Buchbesprechung/Rezension:

Vicki Baum: Menschen im Hotel

Vicki Baum: Menschen im Hotel
verfasst am 19.06.2021 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Baum, Vicky
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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[Gesamt: 1 Durchschnitt: 5]

Es hätte sich für diesen Roman kein besserer Titel finden lassen. Vom Portier bis zur Ballerina, vom einsamen Herrn bis zum allseits geschätzten Baron. Das Grand-Hotel ist ein ganzes Universum des Lebendigen.

Von Beginn an hat man das Gefühl, sich selbst inmitten des Treibens der Hotellobby zu befinden. Wie die Gäste kommen und gehen, wie sie warten oder davon eilen. Manche verbringen ihre Tage ziellos, für andere ist das Hotel nur der Stützpunkt für ihre Vorhaben in der Stadt draußen.

Die Geräuschkulisse, wie sie aufbraust und wieder abebbt, die Pagen, die unter der Aufsicht des Empfangschefs die Wünsche der Gäste ebenso schnell wie diskret erfüllen. Das Portal als die Grenze zwischen diesem Universum drinnen und der lauten Welt der 1920er-Jahre draußen.

Der Portier und der Empfangschef als die Torwächter, die darauf achten, dass diese verwirrende aber doch eingespielte Szenerie nicht durch unpassende Gäste oder unpassendes Verhalten gestört wird.

Der Buchhalter Kringelein, der so dringend ein Zimmer im Hotel ergattern möchte, der aber vom Empfangschef zunächst immer wieder abgewiesen wird; sein Arzt hatte ihm gerade offenbart, dass er nicht mehr lange zu leben hätte und jetzt möchte er seine letzten Tage in Luxus verbringen. Doktor Otternschlag, der regelmäßig für einige Monate im Hotel logiert und nichts tut, außer vergeblich auf Post zu warten und die Tage ohne Ambition zwischen seinem Zimmer und der Lobby verbringt. Die Primaballerina Grusinskaja, die vor jeder Aufführung ihre Anspannung an den Angestellten auslässt – worüber man geduldig hinwegsieht; ihre Karriere neigt sich dem Ende zu, das Publikum jubelt ihr nicht mehr so zu wie früher, ihre Launen hinterlassen mehr Eindruck als ihre Auftritte, sie merkt, dass ihre Zeit vorbei ist. Der dandyhafte Baron Gaigern, von dem der Portier schon die längste Zeit annimmt, er wäre ein Betrüger, auf den der Hoteldetektiv ein Auge werfen sollte. Generaldirektor Preysing, der nach Berlin reiste, um in den anstehenden Verhandlungen sein Unternehmen doch noch vor dem Ruin zu retten.

Alle kommen zu Wort, alle berichten aus ihrer eigenen Perspektive über ihr Leben. Jede dieser Personen betrachtet das Treiben aus anderer Position, gewinnt andere Eindrücke und hat anderes im Sinn. Sie alle spielen für sich und für die anderen eine Rolle, das Hotel ist die Bühne, auf der die Menschen im Hotel wie Schauspieler nach dem Applaus des Publikums trachten.

In wechselnder Besetzung werden Episoden gespielt, manche davon bestimmen über das weitere Leben, manche sind nur belangloses Zusammentreffen. Schicksale entscheiden sich, Beschlüsse von Tragweite werden getroffen – das Leben der Menschen, für die das Grand-Hotel für eine kurze Zeit zur Heimat und zum Mittelpunkt geworden ist, wird durch diese zufälligen Gemeinsamkeiten gesteuert. Weit von ihren gewohnten Lebensumständen entfernt, können auch die üblichen Konventionen fallen.

Ein Grund, warum alles das auch so vertraut wirkt ist, dass man dieses Ambiente, dieses Kommen und gehen, diese verborgenen oder für alle sichtbaren Schicksale aus unzähligen Filmen und Serien kennt. „Menschen im Hotel“ ist quasi das Ur-Modell für alles, was danach an Episoden-Geschichten in die Kinos oder ins Fernsehen kam. Ob die Fernsehserien „Hotel„, „Traumschiff“, „Hallo Hotel Sacher, Portier„, oder der Oscarprämierte Film Grand Hotel (1932) mit Greta Garbo: Man kann Vicky Baum quasi als Begründerin eines Genres bezeichnen.

Für meinen Geschmack ist der Stil oft zu ausschweifend und verliert dabei das jeweilige Geschehen aus dem Fokus. Vicky Baum verplaudert sich dann, gewissermaßen. Das lässt sich durch forciertes Lesen dieser Abschnitte kompensieren, denn natürlich möchte man erfahren, wie es zu Ende geht.

…You can check out any time you like, but you can never leave …„. Dieser Satz aus „Hotel California“ von den Eagles trifft auch auf die Bewohner des Grand Hotels zu, als wäre es der Song zum Roman. Beide zusammen und jeder für sich sind – im Fall des Romanes beinahe wörtlich zu verstehen – wirklich großes Kino.




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