Reinhard Gnettner: Nur der Tod ist unsterblich
Ein mörderischer Literatur-Krimi
Autorin/Autor: Gnettner, Reinhard
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Ja, sie leben noch: Perutz, Fried, Zweig, Torberg und Doderer, und das nicht nur in unserer Erinnerung. Das Quintett der Alt-Literaten sitzt wie eh und je im Kaffeehaus, wobei die alten Herren mit der Gesamtsituation aber denkbar unzufrieden sind. Schon ewig lange haben sie nichts mehr veröffentlicht, die Inspiration fehlt.
Anlässlich eines ihrer end- aber auch ergebnislosen Kaffeehaustreffens haben die fünf diese wunderbare Idee, eine WG zu gründen; das wäre dann eine Institution, in der sie alle schnell wieder an alte literarische Höhenflüge anschließen könnten. Denn, das muss man zur Kenntnis nehmen, sie alle geraten bei der Leserschaft zusehends in Vergessenheit, wie man auch an den Verkaufszahlen ablesen kann. Der 9. Wiener Bezirk ist auch schon als Standort beschlossen und eine passende Wohnung in der Porzellangasse bald gefunden. Zentrum der Wohngemeinschaft ist das Kaffeehaus-Zimmer, das mit Flair, Kaffeegeruch und Zigarettenqualm für die inspirierende Atmosphäre sorgen soll.
Zu den fünf Herren gesellt sich dann noch die Haushälterin Ella Wozniak hinzu, die sich um medizinische Belange, kulinarische Versorgung und Reinhalten der Räumlichkeiten kümmert. Wäre da nicht der nervende Vermieter , wäre es eine wahre Idylle.
Wozu daraus noch einen Krimi machen – die Dialoge, die Einfälle, die der Autor Richard Gnettner seinen Hauptdarstellern auf den Leib schreibt sind so amüsant in kurzweilig, dass die Geschichte der WG schon für sich alleine schon der Stoff für einen gelungenen Roman wäre. Die Schrullen der alten Herren ergänzt um Zitate aus deren Werken und augenzwinkernden Beschreibungen lange zurückliegender Lebenserfahrungen sind wirklich ungemein unterhaltsam (dazu findet sich am Ende des Buches eine ausführliche Quellenangabe).
Beispielsweise Stefan Zweig (wie auch die anderen schon weit mehr als 100 Jahre alt), der in den vergangenen Jahrzehnten schweigsam geworden ist, nur noch ein- maximal zweisilbig antwortet. Wie schwer es ihm damit fallen muss, nun einen seiner blumigen, ausgreifenden Sätze für einen neuen Roman zu schreiben, kann man sich gut vorstellen.
Überhaupt muss man berücksichtigen, dass es sich genau genommen eher um ein Quartett + Doderer handelt. Hier die vier jüdischen Literaten, die während der Nazis-Zeit verfolgt wurden und fliehen mussten, da der Dichter Doderer, der sich recht früh den Nazis angeschlossen hatte, um sich dann doch noch zu distanzieren.
Damit sind wir wieder beim Krimi angekommen: liegt in dieser Zusammensetzung der WG vielleicht der Grund für einen Mord? Denn ein solcher geschieht und das Opfer ist ein Mitglied der Literaten-WG. Möglich wäre es, dass irgendwo in den Werken der Literaten ein Hinweis verborgen ist. Möglich aber auch, dass dem was geschieht ein ganz anderer Plan zugrunde liegt.
Wer noch kein Werk der fünf gelesen hat, wird ebenso bestens unterhalten – und sollte ehebaldigst die nächste Buchhandlung des Vertrauens aufsuchen und sich Bücher von Perutz, Fried, Zweig, Torberg und Doderer besorgen.
Ein Roman, der auf der wirklich außergewöhnlichen Idee basiert, einige Größen der Literaturszene wieder zum Leben zu erwecken. Deren Gespräche und gegenseitige Sticheleien sind, wenn man nur ein wenig aus ihren Werken kennt, eine reine Lesefreude. Noch weitaus besser hätte es mir allerdings gefallen, wenn mehr von der WG zu lesen gewesen wäre, auf diese Sache mit den Todesfällen (ja, es werden mehr) könnte ich sehr gut verzichten. Als reine WG-Geschichte hätte der Roman dann ganz sicher 5 Sterne verdient.
„Nur der Tod ist unsterblich“ wurde für den Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur 2021 nominiert