Buchbesprechung/Rezension:

Thomas Morus: Utopia

Thomas Morus: Utopia
verfasst am 11.09.2021 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Morus, Thomas
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Es kommt nicht oft, dass ich ein Buch lese, das vor mehr als 500 Jahren geschrieben wurde (man bekommt ja auch nicht viele zu kaufen). Thomas Morus‘ „Utopia“ hat die Jahrhunderte überdauert, weil es in gleich mehreren Aspekten bemerkenswert ist.

Im ersten Teil (Erstes Buch, ca. 50 Seiten) ist über die Zustände in England und in Europa zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu lesen. In der detailreichen Beschreibung der Lebensumstände der Menschen, des Verhältnisses von Herrschenden und Untertanen, der sozialen Ungleichheit, der auf Vergeltung ausgerichteten Gesetze und der Machtpolitik ist gewissermaßen aus erster Hand zu erfahren, wie es sich damals lebte. Bedeutsam ist, dass Morus im Zeitalter der Feudalherrscher und des Absolutismus ein Buch schrieb, das die Macht der Fürsten und die geltenden Regeln in Zweifel zog. Als Untertan des nicht gerade zimperlichen Königs Heinrich VIII spielte Morus wohl auch mit seinem Leben, als er „Utopia“ im Jahr 1516 veröffentlichte (dass er im Jahr 1535 zum Tode verurteilt wurde, hatte mit diesem Buch nichts zu tun).

Im zweiten Teil berichtet der Reisende Raphael über die Insel „Utopia“, die er besuchte und deren Gesellschaft und Lebensweise so ganz anders wäre, als man es von England oder Frankreich kennt. Was dabei auffällt (wobei das wohl eher zufällig ist), ist die geografische Ähnlichkeit Utopias mit der griechischen Insel Santorin, die man für einen möglichen Ursprung der Atlantik-Sage hält. Beide Insel schmiegen sich hufeisenförmig um ein Meeresbecken, mit einem Felsen in der Mitte dieses Beckens.

Utopias Lebensweise ist dann nichts, was man sich unbedingt und umfassend im Jahr 2021 als strahlende Zukunft wünschen würde. Zu sehr basiert alles auf den realen Umständen des 16. Jahrhunderts (Adel, Sklaverei, Geringschätzung von Fremden oder die Todesstrafe gibt es auch in Utopia). Was jedoch eine Vision ist, die sich bis heute hält, das ist die Frage nach einem Grundeinkommen für alle – in Utopia verwirklicht. Das mag den Bewohner der Insel zwar ein sorgenfreies Leben sichern, doch der Rest liest sich mit den vielen Traditionen und Normen eher träge und erscheint wenig erstrebenswert.

Was Utopia aber ist: nach der Erkenntnis, dass die (damals) gegenwärtige Gesellschaftsform niemals die Bedürfnisse der Mehrheit der Menschen erfüllen könnte, der Versuch, über eine bessere Form des Zusammenlebens nachzudenken.

Weil es kein Roman ist, ist die Lesbarkeit kein entscheidender Aspekt. Vielmehr liest man sich durch vielfach gewundene Sätze, Monologe und Gespräche; so wie man es eben aus dieser Zeit erwarten würde. Was aber entscheidend ist, das ist die Erkenntnis, dass es bereits vor einem halben Jahrtausend Gedanken und Ideen gab, die Zivilisation neu zu gestalten. Gedanken, die auch heute noch unter der Bezeichnung „Utopie“ stehen würden, weil nur wenige von Morus‘ Perspektiven in die Wirklichkeit umgesetzt wurden.

Der für mich beeindruckende Teil ist jedoch das erste Buch, das einen Einblick in das Leben des frühen 16. Jahrhunderts ermöglicht, den uns jemand verschafft, der genau zu dieser Zeit lebt. Eine gefährliche Zeit für Menschen, die abweichlerische Gedanken wälzten, sowohl in der Politik, als auch in Religion oder Wissenschaft.

Wenn Thomas Morus am Ende des Berichtes über Utopia dann schrieb, dass er die meisten der vom Reisenden geschilderten Regeln und Normen Utopias für wenig erstrebenswert hält, dann mag das zum Teil auch zu seinem eigenen Schutz geschehen sein.




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