Buchbesprechung/Rezension:

Ken Follett: Never - Die letzte Entscheidung

Ken Follett: Never - Die letzte Entscheidung
verfasst am 25.11.2021 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Follett, Ken
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

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[Gesamt: 3 Durchschnitt: 2.7]

Aus dem Mittelalter ins 21. Jahrhundert. Bevor sich Ken Follett mit „Die Säulen der Erde“ in den Olymp der Autoren Historischer Romane geschrieben hat, war er einer der meistgelesenen Autoren von Spionagethrillern. Mit „Never“ kehrt Follett in das Thriller-Genre zurück (soviel schon vorab: jedenfalls dem Namen nach).

Es ist ein Roman, in dem so ziemlich alles zusammengetragen ist, was die Welt an politischen Spannungsfeldern in den 2020er-Jahren zu bieten hat: islamistische Terroristen; korrupte Regime in Afrika; Menschen, die keinen anderen Ausweg sehen, als aus ihrer Heimat in Erwartung eines sorgenfreien Lebens nach Europa zu fliehen; Chinas Marsch an die Macht; der Konflikt USA-China, Atombomben in den Händen von Aufständischen, Cyberwar  und vieles, vieles mehr.

In Romanen ist es gerade en vogue, den Top-Job im Weißen Haus durch eine Frau ausüben zu lassen; dem kann sich Follett auch nicht verschließen und lässt die gemäßigte Republikanerin (gibt es so etwas überhaupt – gemäßigte Republikaner?) Pauline Green die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen. Folletts Anspruch ist es, Frauen in seinen Romanen nicht als Nebendarstellerinnen zu präsentieren, also lädt er die Handlung auf die Schultern gleich mehrerer Frauen. Neben Präsidentin Green spielen u.a. noch die CIA-Agentin Tamara Levit, die in N’Djamena, der Hauptstadt des Tschad arbeitet,  und Kiah, eine junge Frau aus dem Tschad, die beschließt, gemeinsam mit ihrem zweijährigen Sohn ihr Dorf zu verlassen, in weiteren Hauptrollen. Jedoch scheitert Follett insofern, als er Frauen in  altgewohnter Manier mit den typisch männlichen Bewertungen charakterisiert, die da sind: Kleidung, Aussehen, Kosmetik und sie sind natürlich schön, attraktiv, begehrenswert.

Sichtlich in der Absicht, Atmosphäre in die Story zu bringen, sind darin auch einige Beziehungsgeschichten untergebracht. Doch diese wirken in „Never“ gekünstelt und leer – aber immerhin lassen sich damit weitere Seiten füllen.

Follett scheitert also einmal an diesem Anspruch und scheitert in der Folge auch gleich mit dem ganzen Roman.

Das Scheitern hat zwei Hauptgründe: Erstens die Trägheit und Unglaubwürdigkeit der Handlung und die unüberschaubare Zahl an Nebensächlichkeiten, als könne sich der Roman nicht entscheiden, in welche Richtung er sich entwickeln möchte. Da nützt es auch gar nichts, dass Follett die Welt am Abgrund stehen lässt – man nimmt es ihm einfach nicht ab. Da hatten die beiden Clinton-Thriller (von Bill und Hillary), die dieses Jahr erschienen und im selben Genre beheimatet sind, weitaus mehr Dynamik und Spannung.

Und zweites die Länge. Ich habe in einer Rezension des NDR  zum Buch gelesen, dass es gut 300 Seiten weniger hätten sein können. Dieser Meinung bin ich nicht: statt der 880 Seiten des Buches hätten insgesamt 300 Seiten vollends gereicht, mehr gibt der Stoff einfach nicht her. Ich frage mich wirklich, ob das Honorar für diesen Roman sich nach der Anzahl der Wörter richtete? Trotz der unüberschaubaren Menge an Details und Beschreibungen bleiben die Charaktere dennoch flach (so ist es eben, wenn man sich so ausführlich vor allem den Äußerlichkeiten widmet).  Apropos Charaktere: in vielen Romanen Folletts gibt es am Ende ein Personenregister: dass ein solches hier fehlt, halte ich wegen der großen Menge an handelnden Personen für ein Versäumnis.

Follett lässt es jetzt an gleich zwei Brennpunkten ein wenig „krachen“:

In Nordkorea führt die unerträgliche Versorgungslage zu einem Militärputsch und in Afrika kommt es an der Grenze zwischen dem Tschad und dem Sudan zu Auseinandersetzungen zwischen den Armeen. Auf  beiden Schauplätzen stehen einander auch – zumindest indirekt – die beiden Großmächte gegenüber: die USA und China, Präsidentin Green und Präsident Chen.

Klischees und Langweile

Über fast 800 Seiten hat man sich durchgequält, da wird es etwas flotter. Jetzt ist auch dieses Hin- und Herspringen zwischen Nebensächlichkeiten vorbei, was den Roman aber nicht mehr vor der Mittelmäßigkeit retten kann. Es ist der Teil, in dem es um die Ereignisse auf der koreanischen Halbinsel geht, als der Bürgerkrieg in Nordkorea die ganze Region in einen Krieg zu ziehen droht, der durchaus spannend, aber zugleich auch übertrieben unrealistisch ist. Dieser Nordkorea-Teil hätte nach meiner Einschätzung als Thema des Thrillers völlig ausgereicht, denn alles andere versickert sowieso im Laufe der Seiten sang- und klanglos.

Man liest viel, erfährt aber wenig und irgendwann wird es langweilig. Dazu fällt es mir bei diesem Roman erstmals wirklich auf, wie einfach gestrickt Folletts Geschichten sind und wieviel Klischeehaftes und Oftgehörtes darin verarbeitet ist. Beispielsweise der rechtspopulistische US-Politiker namens James Moore: der weist zu 100% alle jene Charakterzüge auf und verbreitet zu 100% jene  Ansichten, die man von so einer Mischung aus einem „Trump-Abziehbild“ und dem Kriegstreiber Donald Rumsfeld (US-Verteidigungsminister unter George Bush)  erwarten würde. Oder eben auch (wie oben erwähnt) die Beschreibung der weiblichen Protagonistinnen.

Alles wahrscheinlich gut für einen Groschenroman, aber leider überhaupt nicht ausreichend für einen anspruchsvollen Thriller.

Ein dickes Buch – und in Summe eine ebensolche Enttäuschung und mit Abstand der schlechteste Follett-Roman, den ich bisher gelesen habe.




Ein Kommentar

  • Willi Winzig sagt:

    Die Meinung des Rezensenten kann ich nur bestätigen. Ein bißchen Zeitgeist( Frauen an die Macht; softe Männer (TAB); Schurkenstaaten (Nordkorea); das Geplänkel der Geheimdienste (China USA); Beziehungsschmus, Das alles ausgewalzt auf 800 Seiten und fertig ist die Darstellung der modernen Welt.
    Alles in allem: Hättest du besser was anderes gemacht, als das zu schreiben.

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