Jan Kossdorff: Horak am Ende der Welt
Autorin/Autor: Kossdorff, Jan
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Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Dieses Ende der Welt, das liegt beim (fiktiven) Ort Heidenholz im Waldviertel. Jedenfalls war es das Ende bis zum Jahr 1989, als der Eiserne Vorhang noch gleich hinter dem kleinen Ort verlief. Jakob Horak trifft hier auf seine eigene Vergangenheit, als er zu einer Lesung anreist.
Heute liegt Heidenholz mitten in Europa, nach Tschechien spaziert man einfach über die grüne Grenze, wenn man das möchte. In den 30 Jahren, die seit damals vergangen sind, hat sich die Welt gewaltig geändert; und doch, bald stellt sich heraus, dass seit der Zeit, als Jakob die Sommer seiner Kindheit hier bei den Großeltern verbrachte, einiges auch unverändert blieb.
Jakob jedenfalls ist anders als damals. Zunächst einmal ist er einsam. Seine Ex-Frau eröffnet ihm, dass sie wieder heiraten wird, seine junge Freundin reist ab und ist danach nicht mehr erreichbar, sein neuester Roman wird von den Verlagen rundweg angelehnt. Jakob selbst ist also auch in gewisser Weise dort – am Ende der, seiner Welt.
Nun also sitzt er in Heidenholz im Haus seiner schon lange verstorbenen Großeltern, das vom neuen Besitzer an Feriengäste vermietet wird, hat nur wenige Perspektiven, dafür umso mehr Zweifel.
Wie ist es, wenn einem Schriftsteller der Impuls zu Schreiben fehlt? Wie ist es, wenn man die Hinterlassenschaft eins verstorbenen Menschen zu bewältigen hat. Wie ist es, wenn man eine Liebe der Jugend wieder trifft?
Er begibt sich auf eine Tour – wie in einem Episoden-Roman lässt sich Jakob von einem Ort zu nächsten treiben – die ungewollt und ungeplant, zu einer Tour durch sein Leben wird, zu Stationen der Vergangenheit, an denen andere Entscheidungen ihn vielleicht zu einem anderen Heute geführt hätten.
Weil er diese Tour zugleich auf seinem alten Fahrrad wie auch in seinem Kopf unternimmt, kommt er an immer neue Orte, die ihn mit immer neuen Eindrücken versorgen. Die Zusammentreffen mit Menschen von damals und die Erinnerungen an die seit damals vergangenen Zeit: Langsam beginnen sich Horaks Einstellung zur Welt und zu seinem eigenen Leben zu verändern.
Für den Fall, dass meine die Beschreibung bis hierher den Eindruck eines deprimierenden Romanes vermittelt hat, dann ist es jetzt Zeit, das richtigzustellen: Horaks Begegnungen, seine Gespräche, sind witzig, klug, anregend, versprechen neuen Aufbruch und bereiten viel Freude am Lesen. Von schlagfertigen Antworten bis hin zu gescheiten Sätzen bietet Horak das Bild eines kreativen, wenngleich gegenwärtig durch diverse Widrigkeiten gehemmten, Mannes im mittleren Alter.
Wobei „mittleres Alter“ ein wichtiger Aspekt ist. Denn wirklich jung ist er nicht mehr, zu alt ist er noch nicht – kurzum: Es bleibt noch genügend Zeit, um Entscheidungen fürs Leben zu treffen.
Eine berührende und belebende Erzählung von vergangenen Rückschlägen, von der Neuausrichtung der Gedanken und neuen Zeiten.
Zur Geschichte von Jakob Horak kommt noch so etwas wie eine Tourismuswerbung für das Waldviertel hinzu. Wie Jakob das Land erkundet, wie er die Dörfer, Wälder und Bäche erlebt, wie die Leute sich verhalten, mit denen er zusammentrifft, wie unkompliziert man Kontakte knüpfen kann: Das alles macht Laune, einmal selbst diese abgeschiedene Region inmitten Europas zu bereisen. Mit dem Fahrrad beispielsweise.