Katrine Engberg: Glasflügel
Ein Kopenhagen-Thriller - Kørner & Werner (3)
Autorin/Autor: Engberg, Katrine
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Anderswo werden Münzen in die Stadtbrunnen geworfen. Dass es diesmal, mitten in Kopenhagen, eine Leiche ist, die in den Brunnen geworfen wurde, verursacht bei dem Zeitungsboten, der frühmorgens im strömenden Regen durch die noch menschenleer Straßen radelt, einen argen Schock.
Im jetzt schon dritten Roman der Reihe mit Jeppe Kørner & Anette Werner ist auch die Zeit gekommen, um die beiden Hauptdarsteller näher kennen zu lernen. Anette, die sich mit ihrer Rolle als Mutter nur sehr schlecht anfreunden kann und ihre Arbeit bei der Polizei vermisst. Sie lässt sich auch nicht von ihrer Karenzzeit davon abhalten, bei dem Fall der Toten im Brunnen, auf dem Laufenden zu bleiben. Jeppe, der sich bisweilen wie ein verliebter Teenager fühlt und sich nicht im Klaren darüber ist, was aus seiner Beziehung mit seiner Kollegin Sara werden soll.
Ich habe es schon oft erlebt (bzw. erlesen), dass solche „Nebenschauplätze“ über das Privatleben abseits des eigentlichen Kriminalfalles langatmig und allzu gezwungen erscheinen. Hier empfinde ich es aber ganz und gar nicht so, private und andere Ereignisse passen ausgezeichnet zueinander und machen den Roman insgesamt noch lebendiger.
Am Tag nach dem Auffinden der Leiche im Brunnen wird schon der nächste Mord gemeldet: wieder eine nackte Leiche, wieder mit aufgeschnittenen Pulsadern, wieder in einem Brunnen.
Zwei Morde, das öffnet zumindest die Möglichkeit, Gemeinsamkeiten zu finden. Es ist ein inzwischen geschlossenes Heim für psychisch beeinträchtige Jugendliche, in dem beide Opfer gearbeitet hatten. Wenn es eine Mordserie ist, dann könnten auch die anderen ehemaligen MitarbeiterInnen in Gefahr sein; und dann könnte auch ein ehemaliger Insasse auf einem Rachefeldzug sein.
Doch warum?
Ist ein Selbstmord einer der Heiminsassinnen dafür der späte Auslöser?
Aus dem Fortgang Beschreibung der Ermittlung, aus den Aussagen, die die Beteiligten machen und aus der Beschreibung des Verhaltens dieser Beteiligten lässt sich deutlich herauslesen, wie sehr die Autorin Katrine Engberg sich mit der Materie psychischer Erkrankungen bei der Recherche für diesen Roman auseinandergesetzt hat. Es liest sich jedenfalls alles sehr fundiert – ohne dass ich mich dazu jedoch aus entsprechenden Quellen selbst informiert hätte – und überzeugend. Damit landet man auch beim eigentlichen Thema des Romanes: den Umständen, unter denen die immer mangelnden an finanziellen Mitteln leidende Betreuung psychisch Kranker (und das nicht nur in Dänemark, bei uns ist es nicht anders) und den Vorurteilen, unter denen die Betroffenen, die Kranken zu leiden haben.
Weil der Krimi auf so realen Grundlagen basiert, macht es die Handlung umso beklemmender und umso wirklichkeitsnaher. Quasi als Bonus kommt hinzu, dass die Geschichte wirklich spannend aufgebaut ist, man mit jedem Schritt das Zentrum des Geschehens mehr einkreist, ohne zu wissen, wie es endet.
Ein sehr empfehlenswertes Buch, weil es eben nicht nur ein guter Krimi, sondern auch eine wirklich gute Erzählung ist.