Buchbesprechung/Rezension:

Antoine Laurain: Glücklicher als gedacht

Glücklicher als gedacht
verfasst am 27.03.2022 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Laurain, Antoine
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Online bestellen:   zum Thalia online-Shop
Schon selbst gelesen? Gib hier Deine Bewertung zum Buch ab!
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

Was macht denn ein Politiker, nachdem er abgewählt wurde? Ein paar Aufsichtsratsjobs? Berater beim Putin? Lobbyist für befreundete Firmen?

François Heurtevent, 48 Jahre alt, verliert die Bürgermeisterwahl um gerade 200 Stimmen gegen einen davor unbekannten Konkurrenten. So ein minimaler Abstand bei knapp 60.000 Einwohnern der Stadt, aber verloren ist verloren und François, ganz Demokrat, akzeptiert die Niederlage und räumt, wenn auch zähneknirschend, sein Büro.

Was folgt, ist der Fall in ein tiefes Loch. Kein hoch dotierter Job wartet auf ihn, seine Frau Sylvie ist mit ihrem erfolgreichen Restaurant „La Musarde“ beschäftigt und so gibt sich François der Trübsal hin. Er kommt nicht aus dem Bett, kann sich zu nichts aufraffen. Endlich, seine Frau drängt ihn, sucht er einen Psychiater auf, der eine Depression feststellt; gegen die gibt es Medizin, die François dankbar annimmt. Da ist er also nun angelangt, ein ganz normaler Mitbürger, ohne Amt und auf der Suche nach einer neuen Aufgabe.

Ein altes Klassenfoto seiner Abschlussklasse von 1978 und eine Geschichte, die ihm sein Arzt erzählt, bringen François zu dem Entschluss, die alten Klassenkameraden zu suchen. Es ist reiner Zufall, als er wenig später, rund um einen Parteikongress, mit einem davon zusammenstößt: Clément Jacquier, der immer Filmregisseur werden wollte. Es ist dann doch überraschend, dass der jetzt unter dem Künstlernamen François Truffix ein äußert bekannter Pornoproduzent ist. Es folgt eine ganz großartiges, urkomisches Kapitel, in dem François Heurtevent auf einer Erotik-Messe ungewollt Details über die Branche erfährt. Alleine die „Künstlernamen“ sind genial, ich stelle mir vor, wie die Übersetzerin (danke für dieses Highlight) sich vor lauter Lachen gar nicht mehr fassen konnte.

François Heurtevent macht sich auf die Suche nach dem, was er hätte erleben können und den Menschen, die er früher gekannt hatte. Erinnerungen begleiten und leiten ihn auf dem Weg heraus aus seiner Depression. Klammert man den Teil mit der Depression aus, so ist der Teil mit den Erinnerungen etwas, das wohl viele von uns selbst dann und wann erleben. Man findet ein altes Foto, ein „Ding“, das man vor langer Zeit unbedingt aufbewahren wollte und erinnert sich an damals. Wer hat dann nicht auch den Gedanken gehabt, sich auf die Suche nach dem zu machen, was aus dieser Vergangenheit wurde?

Ein Freund im Geheimdienst hilft François, die Mitschüler’innen aufzuspüren: es ist der Start zu einer Rundreise durch die Vergangenheit. Wie spannend es doch ist, nach dreißig Jahren zu erfahren, was aus den Köpfen auf dem Klassenfoto wurde. Dazu kommt noch das Vermächtnis von Andre „Derks“ Dercours, François‘ schon lange verstorbenem politischen Mentor; es zeigt sich, dass auch dabei, nach all den Jahren, noch ein Geheimnis zu lüften ist. Ein Geheimnis, das wohl nicht ganz im legalen Rahmen angesiedelt ist.

Es ist diese besondere Wirkung dieser Geschichte, dass man gewissermaßen selbst nachvollziehen kann, wie es ist, Menschen, die man einst gut kannte, mit denen man vor so langer Zeit einen großen Teil des Lebens verbrachte, die ein ganz bestimmtes Motiv im Gedächtnis hinterlassen haben, wieder trifft. Wie die Erinnerung an damals und das Bild von heute erst zueinander finden müssen und wie man oft wünschte, das alte Bild aus der Erinnerung wäre ewig unverändert geblieben.

Zuletzt nun gilt es nur noch herauszufinden, ob bei dieser verloren gegangenen Bürgermeisterwahl wirklich alles mit rechten Dingen zuging. Oder hat der siegreiche Konkurrent etwa betrogen?

Spannend nicht nur das, was François bei seinen Begegnungen erfährt, erlebt und was ihn am Ende dieser abenteuerlichen Reise wieder in die Gegenwart zurückbringt. Das zu lesen bringt mich tatsächlich auch dazu, ein altes Klassenfoto herauszukramen und ein wenig zu recherchieren … das ist auch spannend:-).

Ein ganz toller Roman der berührt, der zwischen Wehmut und Komik hin und her wechselt, dabei immer in positiver Stimmung bleibt. Was immer mitschwingt, das ist das Gefühl, dass viele von François‘ „Erlebnissen“ so sehr vertraut sind, dass man etwas Ähnliches auch selbst erleben könnte; oder erleben möchte.

Einfach ein ganz wunderbares Buch!




Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Top