Buchbesprechung/Rezension:

Leon Battista Alberti: Über die Seelenruhe
Vom Vermeiden des Leidens in drei Büchern

Über die Seelenruhe
verfasst am 29.04.2022 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Alberti,Leon Battista
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Schon selbst gelesen? Gib hier Deine Bewertung zum Buch ab!
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

Der Autor:
Leon Battista Alberti wurde am 14. Februar 1404 in Genua geboren und starb am 25. April 1472 in Rom. Er war Architekt, Schriftsteller, Humanist, Mathematiker, Architekt und Kunsttheoretiker.

Die Herausgeberin:
Prof. Dr. Hana Gründler ist Professorin für Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit. Sie arbeitet für das Kunsthistorische Institut in Florenz – Max-Planck-Institut. In ihrer Danksagung erwähnt sie, dass es eine Herausforderung war, die zum Teil sehr verworrenen Sätze Albertis mit sprachlichem Feingefühl zu entwirren. Geholfen haben ihr dabei Victoria Lorini, Katharina Stahlbuhk und Giulia Baldelli.

Übersetzt aus dem Italienischen hat das Buch Victoria Lorini.

Der Inhalt:
Nach einer sehr ausführlichen Einleitung kann man mit den drei Büchern „Über die Seelenruhe“ beginnen. Drei Männer treffen sich im Jahr 1445 in der Kathedrale von Florenz Santa Maria del Fiore und beginnen eine Unterhaltung über das Wesen des Menschseins: der über 80-jährige Agnolo Pandolfini (1363-1447), Nicola de’ Medici (1384-1455) und Leon Battista Alberti. Die Begegnungen sind fiktiv, die Personen gab es aber wirklich. An den folgenden Tagen treffen sie sich wieder und setzen ihre Unterhaltung fort. Leon Battista Alberti fällt dabei hauptsächlich eine zuhörende Rolle zu und er beginnt, die Gespräche in drei Büchern für seine Leserschaft aufzuzeichnen.

Im Zentrum der Dialoge steht die Frage, was es bedeutet ein gutes Leben zu führen.
Den ganzen Tag über verbringen wir im Angesicht trauriger Erinnerungen, unerfreulicher Aussichten, schwerer Kränkungen, die sich so sehr an unsere Seele klammern, dass wir uns unvermeidlich und, man darf es so sagen, all unserer Willensstärke zum Trotz quälen und fürchten und bekümmern müssen. Denn
niemand ist so verrückt, als dass er nicht lieber froh als traurig wäre, nicht lieber voller Hoffnung als in Angst lebte.

Wie also schafft es der Mensch all diese unangenehmen Seiten des Lebens zu erdulden, ohne dass es zu einer Verbitterung und Verhärtung der Seele kommt? Bei der Beantwortung dieser Frage fließen die Lebenserfahrungen der drei Herren ein, aber ebenso die Sichtweisen von großen Denkern und Humanisten. Untermalt wird das Ganze mit Metaphern.

Beim Lesen merkt man, dass Alberti leidenschaftlicher Architekt ist. Er schwärmt dermaßen für die Architektur der Kathedrale Santa Maria del Fiore, dass ich in Zukunft mit Bestimmtheit jedes Gotteshaus mit anderen Augen sehen werde.

Mein Fazit:
Freizeit ist kostbar für mich und ich hoffe immer, sobald ich ein Buch zur Hand nehme, dass ich das Gefühl habe „Quality Time” damit verbringen zu können. Das gelingt, wenn mich der Inhalt unterhält und ich einfach nur Spaß habe, aber auch, wenn es sich um ein so kluges und interessantes Buch handelt wie das hier beschriebene. Da es mich auch immer mal wieder zum Schmunzeln brachte, hatte ich das Gefühl, endlich mal wieder einen „Volltreffer“ gelandet zu haben. Ja, meine Erwartungen an dieses Buch haben mich nicht enttäuscht!

Hana Gründler wird ihrem Namen absolut gerecht, denn das Buch ist sehr, sehr gründlich und mit viel Liebe zum Detail geschrieben. Ich mochte die Struktur des Buches, die gut lesbare, feine Sprache. Keine Frage bleibt offen, denn jede Unklarheit in den Texten Albertis wird in den sehr umfangreichen  Kommentaren und Anmerkungen, die über 100 Seiten umfassen, ausgeräumt. Das ist auch der Grund,
warum ich dieses Buch nicht als e-Book empfehlen kann, da das Nachschlagen im Kommentarteil während des Lesens digital echt mühevoll ist. Dafür hätte ich mir bei dem sehr schön und edel gebundenen Buch zwei Lesebändchen gewünscht, um ohne Lesezeichen, die leider immer mal wieder rausrutschen, leichter zwischen Text und Kommentaren wechseln zu können.

Den Leser spricht Gründler in der Einleitung als „Leserin“ an. Vielleicht als Ausgleich zur frauenfeindlichen Haltung der drei Herren, die in ihren Dialogen zum Ausdruck kommt, was zur damaligen Zeit wohl nichts Ungewöhnliches war.

Das Buch beanspruchte meine gesamte Aufmerksamkeit. So nebenher lässt es sich nicht lesen. Dafür ist die Sprache zu anspruchsvoll und der Inhalt zu komplex. Da wir gerade in sehr widrigen Zeiten leben und sich sicher gerade viele Menschen fragen, wie man bei all dem Leid irgendwie seinen Seelenfrieden bewahren kann, ist dieses Buch absolut aktuell und zeitgemäß.

Ich hoffe „Über der Seelenruhe“ hat mich zusätzlich zur verbrachten „Quality Time“ auch etwas weiser
gemacht, mit Bestimmtheit aber erweiterte es meinen Horizont!




Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Top