Buchbesprechung/Rezension:

Joseph Conrad: Herz der Finsternis

Joseph Conrad: Herz der Finsternis
verfasst am 25.05.2022 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Conrad, Joseph
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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[Gesamt: 1 Durchschnitt: 4]

Die Fahrt des Kapitäns Charles Marlow den Kongo hinauf, so wie er es selbst einigen seiner Freunde berichtet.

Seine ausdauernden Bemühungen verschafften ihm nach vielen vergeblichen Versuchen endlich den Posten als Kapitän auf einem Flussdampfer auf dem riesigen Fluss. Zu dieser Zeit, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mag ein großer Teil der Gegend noch so fremd gewesen sein, wie es ein ferner Planet heutzutage ist; jedenfalls für die Bevölkerung beidseits des Flusses, die die Weißen, die ins Land kamen, noch immer mit einer Mischung aus Angst und Neugierde betrachteten. Die Weißen indes, ganz wie immer, nahmen für sich in Anspruch, die Sendboten des Glaubens und der Zivilisation und als solche natürlichem jedem, dem sie begegneten, überlegen zu sein.

Marlow beginnt mit seiner Erzählung bei dem Moment, als er im Büro der Handelsgesellschaft seinen Vertrag unterzeichnet. Eigenartig, wie ihn die Angestellten betrachteten, wie sie mit ihm sprachen, als hätten sie Mitleid mit ihm. War es vielleicht der Umstand, dass Marlows Vorgänger erst kürzlich von Eingeborenen getötet worden war? Aber was sollte daran Bedenken hervorrufen, war doch dieser Vorgänger in gewisser Weise selbst Schuld an seinem Tod, weil er sich anmaßte, einen Häuptling schlagen zu dürfen. Marlow umfasste ein eigenartiges Gefühl, ohne dass damit noch eine korrekte Vorahnung verbunden gewesen wäre.

Wenn man nun in Marlows Erzählung erstmals den Namen Kurtz liest, wird einem dieser Name vielleicht bekannt vorkommen. Wer sich vor dem Lesen nicht informiert hat, wird nun feststellen, dass eben jener Kurtz und das, was bei der Fahrt auf dem Kongo geschah, als Vorbild für Francis Ford Coppolas Filmklassiker „Apocalypse Now“ diente. Einige der von Joseph Conrad erdachten Ereignisse finden sich in wiedererkennbar ähnlicher Form auch im Film.

Der Kurtz in dieser Erzählung ist der beste Agent, Elfenbeinhändler der Handelsgesellschaft, der weiter oben am Flusslauf arbeitet. Nun aber hört man beunruhigende Nachricht von dort, dass Kurtz erkrankt sei. Marlows Abreise verzögert sich, zuerst muss der Flussdampfer, der vor Marlows Ankunft durch Nachlässigkeit gesunken war, wieder fahrtüchtig gemacht werden.

Erster Höhepunkt der Erzählung ist die Beschreibung der Reise den Strom hinauf. Eingekeilt zwischen dem Urwald, der links und rechts die Ufer überwuchert, hin und wieder ein Dorf oder eine Handelsstation, Untiefen und Stromschnellen, unbekannte Geräusche aus dem Dschungel. Der unberührte Kontinent, der seine Geheimnisse verbringt. Die Nerven der Passagiere bis zum Zerreißen gespannt vor der Ungewissheit, was alle am Ende der Reise erwarten wird. Dort werden sie auf den legendären Kurtz treffen und Marlow kann dieses Treffen kaum erwarten. Aus diesen Zutaten entstand eine Geschichte voller Spannung, wie gebannt nimmt man selbst an der Reise ins Ungewisse teil.

Die Reise endet an einem Ort, der unwirklicher und archaischer nicht sein könnte.

„Herz der Finsternis“ ist ein düsterer Roman aus der Kolonialzeit, als es für die Weißen ganz normal war, Menschen anderer Hauptfarbe als minderwertig anzusehen, vor allem aber eine Anklage gegen die Sklaverei und den Rassismus, beides in dieser Zeit wie selbstverständlich aus Sicht der Europäer und wie eine unbezwingbare Naturgewalt für die Bevölkerung Afrikas. Diese Anklage kommt jedoch nicht von Joseph Conrad, der zwar beschreibt, aber den Kolonialismus selbst nicht ihn Frage stellt und für dessen Kapitän Marlow der Rassismus ganz selbstverständlich ist. Die Anklage kommt aus unserer heutigen Einsicht über die Gewalt, die wir Europäer dem Kontinent und seinen Bewohnern angetan haben.

Joseph Conrad beschreibt hier – mehr oder wenig kritiklos – unwissentlich genau jene Vorgänge, deren Folgen noch heute den Zustand des Kontinents bestimmen und die heute auch dafür mitverantwortlich sind, dass so viele Menschen dort ihre Heimat verlassen wollen. Wobei sich für mich nicht eindeutig abzeichnet, ob dies Conrads eigene Haltung widerspiegelt oder ob er nur das beschreibt, was zu seiner Zeit aufgrund der Umstände und Geisteshaltungen hätte geschehen können.




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