Alexander Lernet-Holenia: Das Halsband der Königin
Autorin/Autor: Lernet-Holenia, Alexander
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Die Halsband-Affäre ist die Basis für eine ganze Reihe von Gerüchten, Geschichten und Erzählungen. Eine Affäre, die im Frankreich der 1780er-Jahre entscheidenden Einfluss auf das Schicksal des französischen Königtums und das Leben von Ludwig XVI und Marie Antoinette nahm.
Jeanne de la Motte, die sich als entfernte Nachfahrin der Familie Valois zwar nicht ganz zu Unrecht auf ihre königliche Herkunft berief, war in Wahrheit doch nur eine Hochstaplerin, die sich mit allerlei Betrügereien auf Kosten vieler gutgläubiger Menschen durchs Leben schlug. Ihr zur Seite ein Ehemann, der aus dem gleichen Holz geschnitzt war. Nach Jahren des Durchlavierens schien de la Motte endlich den Schlüssel zu ihrem künftigen Reichtum gefunden zu haben, zu einem sorgenfreien Dasein.
Nun muss man dazu noch wissen, dass der Kardinal Rohan einige Jahre zuvor durch eine falsche Information bei der Dauphine Marie Antoinette in Ungnade gefallen war. Nichts konnte daraufhin die spätere Königin dazu bringen, mit Rohan auch nur ein einziges Wort zu wechseln. Rohans Streben nun war es, endlich einen Weg zu finden, mit Marie Antoinette sprechen zu können.
Dies nutzte de la Motte, um eine abenteuerliche Geschichte zu konstruieren, in der sie selbst den Kontakt zur Königin herstellen könne, in der sie selbst es wäre, die den Kardinal wieder Gnade vor den Augen der Monarchin finden zu lassen. Doch weder hatte de la Motte Einfluss am Hof, noch kannte sie die Königin überhaupt.
Der Reichtum sollte nun davon kommen, dass der Kardinal ein teures Halsband für die König kaufen sollte, das de la Motte dann an die Königin übergeben würde. Der Handel fand statt, nur fand das Halsband natürlich nie den Weg zu Marie Antoinette, sondern wurde von de la Motte und ihrem Ehemann zerlegt und verkauft.
Es konnte nicht ewig verborgen bleiben. Einige Monate später wurde der Betrug publik und Rohan wurde verhaftet, war er es doch gewesen, der persönlich das Halsband gekauft hatte.
War es bis dahin ein Skandal innerhalb des Adels, wurde dieser nun durch die nachfolgende Gerichtsverhandlung auch der breiten Bevölkerung bekannt. Durch ungeschicktes Verhalten und aus einer vermeintlichen Position der Unangreifbarkeit heraus wurde das Königshaus zusehends in die Rolle der Schuldigen (bzw. Mitwisser) gedrängt. Ein frühes Beispiel für „Fake News“ und geschicktes Manipulieren der öffentlichen Meinung. War es zuvor schon sehr angeschlagen, so war am Ende der Affäre das Ansehen Marie Antoinettes, obwohl in der Sache gänzlich unschuldig, unwiederbringlich beschädigt; der Zug in Richtung Revolution setzte sich in Bewegung.
Bemerkenswert zu lesen, wie leichtgläubig die Menschen damals waren. Es reichte oft nur die Erwähnung des Namens einer Berühmtheit, mit der man gut bekannt sei, dass sich Türen und Salons öffneten. Scharlatane, Taschenspieler, einfache Betrüger hatten sichtlich leichtes Spiel.
Auch Stefan Zweig widmet der Affäre in seiner Romanbiografie „Marie Antoinette – Bildnis eines mittleren Charakters“ einige Kapitel. Dabei zweifelt er nicht daran, dass alle Ereignisse dieser Affäre ohne jegliches Wissen der Königin stattfanden. Lernet-Holenia hingegen vermutet, dass Marie Antoinette zumindest in einige Aspekte eingeweiht war; dass sie vom Betrug mit dem Halsband gewusst hätte, das hält aber auch Lernet-Holenia für unmöglich.
Beide, Zweig und Lernet-Holenia, erzählen die Geschichte kunstvoll verpackt – beide Bücher sind im Stil einander recht ähnlich, wenngleich Zweig insgesamt „literarischer“, packender beschreibt. Lernet-Holenia wiederum verwendet in seinem Roman eine Vielzahl von Zitaten, übernimmt vollständige Berichte (oft auch im französischen Original samt Übersetzung) von Zeitgenossen und aus den Gerichtsakten. Das verschafft einen sehr detailreichen Blick sowohl in das herrschende Weltbild und in den Ablauf eines Gerichtsverfahrens (jedenfalls, solange es sich um ein Mitglied der Führungsschicht handelte, bei „normalen“ Menschen mag das wohl anders gewesen sein).
Es ist also auch abseits der reinen historischen Fakten und deren Aufarbeitung überaus interessant zu lesen, wie sich zwei Schriftsteller ein und derselben Sache annehmen. Wer sich für die Geschichte der Habsburger und für die Französische Revolution interessiert, der/dem kann ich beide Bücher empfehlen!