Stefan Zweig: Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam
Autorin/Autor: Zweig, Stefan
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Erasmus von Rotterdam lebte von 1466 bis 1536 und war ein Schriftsteller, Gelehrter, Denker, Mönch, Humanist.
Noch weitaus umfangreicher als in den anderen von ihm verfassten Biografien, beschreibt Stefan Zweig in diesem Buch die Epoche. An der Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit, als jahrhundertealte Regeln ihre Absolutheit verloren. Die Europäer entdeckten neue Kontinente, der eben erfundene Buchdruck war der Motor für die Verbreitung von Nachrichten, die Wissenschaft bahnte sich den Weg durch Aberglauben und kirchliche Dogmen.
Während die Menschen in Europa beginnen, sich langsam aus den Fesseln des Mittelalters zu lösen, laufen aber die Neuerer, die Reformer, die nach Wissen Strebenden noch immer in Gefahr, durch allzu forsches Verbreiten von neuen Erkenntnissen und Ideen in der Verbannung oder bisweilen auch auf dem Scheiterhaufen zu enden.
Das Buch ist eine Roman-Biografie, jedoch nur zum geringen Teil im Sinne einer chronologischen Lebensbeschreibung, sondern vor allem im Sinne der Beschreibung von Geisteshaltung und Ausstrahlung auf die Zeit.
Über Erasmus sagt Stefan Zweig: „Mit aller Kraft seiner funkelnden und schlagenden Intelligenz bekämpfte er darum ein Leben lang auf allen Gebieten die rechthaberischen Fanatiker ihres eigenen Wahns“. Das mag, so meine Annahme, auch der Anlass für Zweig gewesen sein, ausgerechnet über diesem Mann eine Biografie zu schreiben. Denn im Jahr 1935, als das Buch veröffentlicht wurde, war beinahe überall in Europa genau das auf dem Vormarsch, war Erasmus vier Jahrhunderte zuvor bereits bekämpft hatte. So nützt Stefan Zweig dieses Buch auch als Bühne für sein eigenes, persönliches Plädoyer für Frieden, Ausgleich und die Vielfalt von Glauben, Meinung und Lebensweise. Alles daraus ist heute, im Jahr 2021, so aktuell wie damals.
Hans Holbein hat insgesamt sechs Porträts des Erasmus angefertigt. Durch die überaus lebensechte Darstellung, beinahe fotorealistisch, ist uns Erasmus auch optisch so detailreich übermittelt, wie man es sonst von kaum einer historischen Persönlichkeit jener Zeit kennt. Diesen Porträts widmet Stefan Zweig ebenfalls ein Kapitel.
Es wäre mit Sicherheit hilfreich, die Schriften des Erasmus selbst zu lesen, um Zweigs Ausführungen dazu wirklich zu verstehen bzw. nachvollziehen zu können. So bleibt vieles einfach verwirrend, weil Stefan Zweig zudem auch noch weitaus mehr als in seinen anderen Roman-Biografien weit ausgreifend formuliert und zur Verschachtelung seiner Sätze neigt.
So bleibt nur, sich anhand einiger Abschnitte aus dem Buch ein grobes Bild über einen Mann zu machen, der die Reform des Abendlandes mit den Mitteln der Sprache und des Ausgleiches in Gang bringen wollte. War er zu seinen Lebzeiten ein überaus geschätzter und weithin bekannter Mann, dessen Wort bei den Herrschenden Gewicht hatte, so scheiterte er langfristig und geriet in Vergessenheit. Unter anderem auch deshalb, weil er sich bei seinen Werken immer nur der lateinischen Sprache bediente und er darum nie bis in die Seelen der breiten Bevölkerung vordrang. In Erinnerung geblieben sind vor allem die Lauten, die Grobiane, die Kompromisslosen wie Zwingli, Calvin oder Luther, die es weitaus besser verstanden, von den Menschen gehört zu werden.