Buchbesprechung/Rezension:

Heinrich Steinfest: Der betrunkene Berg

Der betrunkene Berg
verfasst am 01.09.2022 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Steinfest, Heinrich
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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[Gesamt: 1 Durchschnitt: 4]

Liest man einen Roman von Heinrich Steinfest, dann ahnt man schon, womit man es zu tun bekommt: Es wird eine mysteriöse Geschichte sein, eine Mischung aus Fantasie und Fantasy, mit einem Hauch interdimensionaler Vorkommnisse.

Dazu bekommt man es hier mit folgender Szenerie zu tun: eine Buchhandlung (!) am Berg in 1.765m Meter Seehöhe, gleich in der Nähe der Almhütte. Die Hütte ist gegenwärtig geschlossen, denn der Winter zieht gerade ein. Katharina aber, die die Buchhandlung gegründet hat, verbringt auch diese Zeit oben am Berg, gemeinsam mit nur Tee und Büchern und regelmäßigen Wanderungen zum nahen Berggipfel. Dieser Gipfel bleibt namenlos, er ist einer dieser vielen „…. kogel“, die man in den Alpen findet. Was man weiß: Er ist 1.862 m hoch, hat ein Gipfelkreuz und liegt in Oberösterreich.

Eine solche Wanderung ist dann anders als die bisherigen. Ein Mann liegt, halb erfroren, im Schnee. Wie er dorthin kommen konnte, ist völlig unklar, was aber in der aktuellen Situation auch unerheblich ist, denn der Mann muss dringen in die Wärme. So nimmt Katharina ihn mit und quartiert ihn kurzerhand in ihrem Laden ein. Robert nennt sie ihn, denn der Unbekannte kann sich weder an seinen Namen, noch an irgendetwas aus seinem Leben erinnern; somit natürlich auch nicht, wie er auf den Berg kam.

Was Steinfest in bemerkenswerter Weise gelingt, das ist, unabhängig davon, wie die Protagonisten jeweils in diese Einsamkeit des Berges gerieten, die Beschreibung der Atmosphäre, die einen dort oben vereinnahmen kann, wenn man sich einfach davon einnehmen lässt.

Auf einem Berg, weit abseits der Zivilisationen und der Menschenmassen zu sein, das schafft Raum und Freiheit, sich einfach dorthin treiben zu lassen, wohin die eigenen Gedanken einen führen. Es sind die Momente, die man ganz ohne jegliche der Zwänge, die unsere Gesellschaft mit sich bringt, erleben kann. Befindet man sich dann noch mitten in einem Regenschauer oder, wie hier im Roman, mitten in den Wolken, dann kann es schon geschehen, dass man einfach alles rundherum ausblendet und ganz in eigenen Erinnerungen oder Vorstellungen versinkt.

Robert erinnert sich langsam an sein Leben, Katharinas Gedanken schweifen ab in ihre eigene Vergangenheit und Linda, die zu den beiden stieß (man wird lesen, warum), fühlt sich wie zurückversetzt in ihre Kindheit. Als die drei sich zu einer gemeinsamen Wanderung zum Gipfel aufmachen und wie aus dem Nichts eine Wolke alles wie in undurchsichtige Watte hüllt, drängt bei allen die Erinnerung an die Oberfläche.

Die Erzählung hat keine Richtung, sie wendet einfach dorthin, wo es die jeweilige Situation erfordert. Wenn man versucht, sich selbst auch dorthin zu versetzten, kann man selbst einiges von dem empfinden, was Steinfest beschreibt. Hilfreich dabei ist natürlich, wenn man selbst auch solche Einsamkeit erlebt hat, alleine auf einem Gipfel saß, durch den Regen wanderte und nichts hörte außer dem Rauschen oder weit oben in den Wolken (wahlweise auch im Nebel) war. Genau deshalb, weil ich solche Orte und Situationen genieße, verstehe ich, was Steinfest erzählt: wie es ist, wie es sich anfühlen kann, wenn man weiß, dass die Menschen und die Zivilisation so weit weg sind, als ob das alles dort unten ein anderer Planet wäre und man selbst aus unendlicher Ferne darüber blickt.

Weil die Erzählung keine Richtung hat, hat sie auch kein wirkliches Ende. Das macht aber gar nichts, denn es bleiben nach der letzten Seite – wenn man möchte – die eigenen Gedanken, um sich vorzustellen, wie es wäre, selbst dort oben zu sein und sich an Gutes und Schlechtes aus dem eigenen Leben zu erinnern.

Die Grundidee einer Bibliothek weit oben auf dem Berg finde ich, auch ganz losgelöst von der Geschichte selbst, wirklich großartig. Man setzt sich dann dort oben hin, blickt hinunter ins Tal und holt sich das dazu passende Buch gleich von nebenan aus dem Regal. Das klingt verlockend!




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