Buchbesprechung/Rezension:

Maik Baumgärtner, Ann-Katrin Müller: Die Unsichtbaren
Wie Geheimagentinnen die deutsche Geschichte geprägt haben

Die Unsichtbaren
verfasst am 29.10.2022 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Baumgärtner, Maik
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Buchbesprechung verfasst von:
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James Bond: so müssen Geheimagenten aussehen – oder doch nicht ganz so?

Es war und ist sicher weitaus weniger cooles Geschäft – vielmehr sind Spionage und Geheimoperationen voller Gewalttätigkeiten, Intrigen, Betrug und natürlich auch Tod.

Dabei ist die Branche keine rein männliche Domäne, Frauen haben immer wieder wichtige und zentrale Rollen übernommen. Auch dabei gibt es eine in den Rückblicken glorifizierte Figur: Mata Hari war wohl die bekannteste der Geheimagentinnen, die im 1. Weltkrieg in Paris für Deutschland spionierte (und das nicht überlebte).

Weder James Bond noch Mata Hari sind typisch für die Menschen, die für die Geheimdienste arbeiten, sondern im Gegenteil möchte man doch so unauffällig und – so UNSICHTBAR bleiben, wie es nur möglich ist.

Dieses Buch befasst sich mit den Frauen, die für und gegen Deutschland arbeiteten, beginnend mit der Kaiserzeit ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts.

Es geht um die Geheimdienste und das bedeutet zugleich, dass auch die Informationen dazu entweder geheim oder nicht einfach aufzufinden sind. Schon im Vorwort beschreiben die beiden AutorInnen, welchen Umfang die Recherche zu diesem Buch hatte, wie groß die Menge der Dokumente ist, die dafür zu durchforsten war.

Das Ergebnis ist eine Sammlung von kurzen Biografien von Agentinnen, die bei den überaus zahlreichen Spannungsfeldern, die es in den zurückliegenden Jahrzehnten gab, entscheidende Rollen einnahmen. Wenn da und dort auch namenlos bleibende Personen erwähnt werden, dann wird das wohl auch daran liegen, dass vieles noch immer unter Verschluss ist.

Ein Faktum findet sich durch beinahe alle diese Biografien: so wie in vielen anderen Lebensbereichen (bis heute), wurde die Arbeit der Agentinnen oftmals als weniger bedeutend als die ihrer männlichen Kolleginnen bewertet und (natürlich, möchte man sagen) auch war die finanzielle Abgeltung betrifft, liegen die Frauen weit zurück. Gleichauf aber liegen sie bei den persönlichen Konsequenzen, die Agentinnen und Agenten zu tragen haben, wenn sie enttarnt werden.

Das Thema bedingt, dass die meisten der beschriebenen Frauen in der Öffentlichkeit bislang völlig unbekannt sind. Was hingegen überrascht ist, dass auch innerhalb der jeweiligen Organisationen die  Informationen über viele dieser Frauen nicht mehr greifbar sind oder es nur noch bruchstückhafte Aufzeichnungen gibt.

Abseits der Beleuchtung der Rolle von Frauen in den Geheimdiensten liefert das Buch auch eine wirklich interessante Beschreibung von Geheimoperationen an den Brennpunkten des Weltgeschehens. Der 1. Weltkrieg, der 2. Weltkrieg, der Kalte Krieg: oft waren entscheidende Wendungen überhaupt erst durch die Arbeit einzelner Frauen (und Männer) möglich.

Nachlesen kann man aber nicht nur, wie solche Operationen aufgebaut und durchgeführt wurden, sondern auch, wie die späteren AgentInnen angeworben wurden – was oft mehr durch Zufall geschah und wobei die Akteurinnen sich wohl der Gefahr, die sich aus ihrer Tätigkeit für ihr eigenes Leben ergab, nicht ganz bewusst waren. Doch es waren natürlich auch Frauen darunter, die sich ganz bewusst, um der Sache willen, in Gefahr begaben.

Ein „Höhepunkt“ der Spionagetätigkeit war der Kalte Krieg und besonders die Arbeiten gegen und für die DDR. Die Stasi, als einer der verhältnismäßig größten Geheimdienste, die es jemals gab, auf der einen Seite und der BND, der Nachrichtendienst der damaligen BRD auf der anderen Seite. Dazu noch KGB, CIA, Briten, Franzosen …

Das Ende des Kalten Krieges mag zwar kurzzeitig Hoffnungen auf ein ab dann besseres und vertrauensvolles Verhältnis der Staaten zueinander geweckt haben, doch die alten Gegensätze und Kontrahenten waren nicht nur nicht verschwunden, sondern es kamen bald weiter hinzu.

Entscheidend haben sie die technischen Mittel und die Methoden geändert, die heute eingesetzt werden. Das ist in dem Kapitel „Wie NachrichtendienstlerInnen heute ihre Netze auswerfen“ nachzulesen.

Die Unsichtbaren“ ist kein Spionagethriller, aber ein Thriller über die Welt der Spionage; eine Übersicht über Aktionen, die sich im Nachhinein als bedeutend für die weitere Entwicklung der Konfrontation mit den jeweiligen Gegnern herausstellten und die ohne die Arbeiten von Frauen kaum möglich gewesen wären. Und ein Blick auf die Gegenwart, in der durch die kriegerische Aggression Russlands unter Putin und den Führungsanspruch Chinas neue Bedrohungen bewältigt werden müssen.

Maik Baumgärtner und Ann-Katrin Müller beschreiben mit diesem Buch nicht nur die meistens unterschätzte (und kaum erwähnte) Rolle von Frauen in den Geheimdiensten; sie beschreiben auch, wie sehr in unserer Gegenwart weiterhin eine Welt außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung existiert, in der um jede Information, jede wirtschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung gerungen wird – so wie es schon seit Jahrhunderten geschieht.

Im Übrigen ist die Arbeit der Geheimdienst nicht nur geheim. Ganz deutlich sichtbar sind die Arbeit der Trollfabriken (vor allem russischer), die in sozialen Medien und Foren die Meinung in den demokratischen Ländern beeinflussen und die Unterstützung der Rechtsparteien durch antidemokratische Staaten wie Russland.

Intensität und Umfang der Geheimdienstoperationen waren und sind zu jeder Zeit ein Indikator für Frieden bzw. Konflikte auf der Welt. Die Entwicklung der letzten Jahre lässt diesbezüglich kaum darauf hoffen, dass es friedlicher wird.




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