Buchbesprechung/Rezension:

Ray Bradbury: Fahrenheit 451

Ray Bradbury: Fahrenheit 451
verfasst am 19.01.2023 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Bradbury, Ray
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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[Gesamt: 1 Durchschnitt: 4]

„Celsius 233“ wäre der in unserem Breiten verständlichere Begriff für den Romantitel: Papier entzündet sich bei dieser Temperatur und Bücher verbrennen.  „Fahrenheit 451“ ist ein Klassiker der Weltliteratur, weit über das Genre der Science Fiction hinaus, und der Inhalt weitgehend bekannt: in einer Zukunft ist es die Aufgabe der Feuerwehr, Bücher zu verbrennen, das Löschen von Feuer gehört der Vergangenheit an.

Guy Montag ist Feuerwehrmann und zweifelt mehr und mehr an dieser Aufgabe. Er beginnt, heimlich Bücher vor dem Verbrennen zu retten und knüpft Verbindungen zu den wenigen Menschen, die gleich ihm die Bücher retten wollen. Er findet Zugang zu einer Untergrundbewegung.

Der Inhalt ist also schnell beschrieben, was ich aber weitaus interessanter finde, das ist einerseits der Ursprung der Geschichte und ihr Gegenwartsbezug. Was waren die möglichen Einflüsse, die Ray Bradbury zum Schreiben des Romanes inspirierten und wie würde der Roman aussehen, würde er heute, im Jahr 2021 geschrieben?

Die Veröffentlichung im Jahr 1953 fällt in ein Zeitalter, das von Unterdrückung und Gewalt gekennzeichnet war. In Nazideutschland wurden Bücher, es ist noch nicht lange her, in verstörenden Zeremonien öffentlich verbrannt. In der Sowjetunion und in den faschistischen Staaten betrieben die Regime Meinungsunterdrückung – man musste sich selbst vor engsten Verwandten, Freunden und Nachbarn in Acht nehmen, denn wer sich eigene Ideen hatte oder sich nicht konform verhielt, wurde denunziert. Die Vereinigten Staaten befanden sich inmitten der McCarthy-Ära, die Verfolgung in wirklichen oder angeblichen Kommunisten nahm beinahe die Form von mittelalterlichen Hexenverfolgungen an.

Sicher genug an bedrückender Realität für Ray Bradbury um in seinem Roman eine Welt zu beschreiben, in der das Abweichen von den vorgegebenen Normen zur Gefahr für das eigene Leben werden konnte, in der nichts verborgen blieb und in der sich die Mehrzahl der Menschen bereitwillig in den Dienst der Regierung stellte, um Abweichler zu verraten.

In Guy Montags Welt finden die Menschen ihr Auslangen bei banalen Vergnügungen. Wo es keine intellektuellen Herausforderungen gibt, haben sich die meisten an die Dauerberieselung durch das Fernsehen so sehr gewöhnt, dass es wie ein unverzichtbarer Teil der Familie betrachtet wird. Werbung bestimmt das Programm. Beim stupiden Zusehen glauben die meisten bald, der Wunsch, dieses und jenes zu besitzen, wäre eigenen Wünschen entsprungen.

Wenn die Menschen so weit abgestumpft sind, dass sie nur mehr leichte Unterhaltung konsumieren können, dann ist es für die Regierung einfach, eine „alternative Wahrheit“ zu verbreiten. Es wird gegen einen fernen Gegner Krieg geführt und alles, was darüber man weiß ist, dass man siegen wird, alles, was man davon bemerkt sind die Bombergeschwader, die über die Stadt an die Front fliegen. Niemand kümmert sich darum, niemand widerspricht. Bis Montags Heimatstadt in einem Atompilz untergeht.

Welche Regierung steht hinter alledem? Das bleibt unklar, nur der Name des Präsidenten wird genannt. Es ist aber auch gar nicht wichtig, welcher Ideologie das Regime zugehörig ist, denn Unterdrückung fühlt sich gleich an, egal welches Etikett sie sich anheftet.

Bei sehr vielen Details gelang Bradbury ein erstaunlich treffsicherer Vorgriff auf die Gegebenheiten in unserem Jahrhundert. Die auf die individuellen Gewohnheiten abgestimmte Werbung, das andauernde Wiederholen, bis man endlich kauft, die Macht der Algorithmen, die die Anzeige von Online-Werbung, Suchmaschine und Social Media, die völlig absurden Clips von Influencern, von denen das willige Publikum glaubt, es handle sich um ehrliche Berichte und nicht um bezahlte Werbung.

Bradburys Anliegen war, wie er selbst sagt, die Auswirkung zu beschreiben, wenn es keine Bücher mehr gäbe. Als in den 1950ern das Fernsehen in immer mehr Wohnzimmer Einzug hielt, mag eine solche Entwicklung durchaus denkbar gewesen sein. Wenigstens in dieser Beziehung bleibt  „Fahrenheit 451“ eine Fiktion: So weit sich Fernsehen, Video, Streaming zwischenzeitlich auch ausgebreitet haben – das Buch blieb und bleibt uns erhalten und ist für viele Menschen weiterhin ein guter und unverzichtbarer Freund.

PS: Bei uns wahrscheinlich noch bekannter als der Roman ist die Verfilmung von François Truffaut aus dem Jahr 1966 mit dem großartigen Oskar Werner in der Rolle des Guy Montag. Film und Roman weichen in zentralen Passagen voneinander ab, es lohnt sich also durchaus, sich für beide Zeit zu nehmen.




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