Agatha Christie: Das Geheimnis von Chimneys
Ein Fall für Superintendent Battle (1)
Autorin/Autor: Christie, Agatha
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Mit zwei kleinen Paketen im Gepäck reist Anthony Cade zurück nach England, beides soll er für einen in Afrika lebenden Freund an bestimmte Stellen übergeben.
Das eine, die Memoiren von Graf Stylptitch, einem verstorbenen Staatsmann eines fiktiven Balkanstaates, an einen Verlag in London, das andere mit persönlichen Briefen an eine Dame, von der neben ihrem Namen, Virginia Revel, nur ein Hinweis bekannt ist: Chimneys, der Name eines vornehmen Landsitzes, steht auf einem der Briefe der Dame.
Anthony Cade ahnt nicht, dass er brisantes Material im Gepäck hat und dass er in England bereits erwartet wird (wobei man nicht vergessen darf, dass man eigentlich mit der Ankunft seines Freundes rechnet, denn an den hatte Stylptitch sein Manuskript geschickt). Denn sehr einflussreiche Leute befürchten, dass in den Memoiren des Grafen Stylptitch zu viel über Staatsgeheimnisse und über Deals stehen könnte, die zwischen englischen Geschäftsleuten und einer Gruppe von Adeligen, die im Balkanstaat die Macht übernehmen möchten, vereinbart sind. Ausgerechnet in Chimneys fand ein Treffen statt, bei dem Graf Stylptitch etwas gehört haben kann, das nicht für seine Ohren bestimmt war – genau dorthin plant Anthony Cade zu reisen, also mitten hinein ins Wespennest.
Doch schon seine Ankunft im London sorgt vielerorts für Unruhe. Dieser Mr. McGrath, also der Name des Freundes, unter dem Anthony reist, wird schon bald bestürmt, die Memoiren, gegen ein noch viel größeres Honorar als die 1000 Pfund, die der Verlag dafür zahlen wird, zu übergeben. Aber ein Gentleman wie er würde sich nie einfallen lassen, eine eingegangene Verpflichtung, nur des schnöden Mammons wegen, zu übergehen. Andere „Interessenten“ sind schon weniger zimperlich und drohen mit Gewalt, sollte ihnen das Manuskript nicht übergeben werden. Aber auch dabei gibt Anthony nicht klein bei. So viel ist jedenfalls klar: für die Memoiren des Grafen interessieren sich so viele Leute und Organisationen, dass Anthony praktisch niemandem trauen kann; oder noch besser gesagt: Niemandem trauen sollte!
Intrigen, internationale Verschwörungen, Geheimdienste, Scotland Yard und mitten drinnen Anthony Cade und Virginia Revel. Man ahnt, dass sich neben alle den mörderischen Verwicklungen auch eine Liebelei entwickeln wird. Zum Showdown kommt es auf dem Landsitz Chimneys. Das Wochenende, zu dem alle Beteiligten – und noch ein paar weitere „Mitspieler“ – anreisen, wird mit einem Mord eröffnet. Anlass genug, zur Klärung den allseits geschätzten Superintendent Battle von Scotland Yard beizuziehen.
Obwohl Anthony zunächst einer der Verdächtigen ist, erweist er sich bald als äußerst hilfreicher Assistent von Battle. Um die beiden herum ist der Kreis der Verdächtigen recht überschaubar – es ist Zeit für das beliebte Who-Dunnit-Spiel.
Dass Agatha Christie für ihren im Jahr 1925 erschienen Roman den Balkan als Brennpunkt politischer Verwicklungen wählte, ist nicht verwunderlich. Rund elf Jahre zuvor hatte dort der 1. Weltkrieg begonnen und der Staat Jugoslawien war auch in den Jahren nach dem Ende des Krieges eine explosive Region geblieben. Agatha Christie sorgt sogar für einen Auftritt einer Geheimorganisation mit dem Namen „Rote Hand“, was wohl eine Anspielung auf die „Schwarze Hand“ ist, aus deren Reihen die Sarajewo-Attentäter kamen.
Die Story voller internationaler Verstrickungen erfüllt so ziemlich alle Wünsche, die man an einen Krimi haben kann. So sehr das Geschehen zunächst verworren erscheint, so sehr stellt es sich Schritt für Schritt als ganz wunderbar zusammengesetzt heraus. Ein früher Roman von Agatha Christie (es ist der Fünfte, den sie veröffentlichte), der alles beinhaltet, was einen typischen Christie-Krimi ausmacht, plus eine kleine Portion Märchen mit Prinz und König.
PS: Superintendent Battle ist übrigens der zweite Ermittler, den Agatha Christie öfters in ihren Krimis auftreten ließ. Nr. 1 war Hercule Poirot (im Jahr 1921), Miss Marple erblickte erst fünf Jahre nach Battle (im Jahr 1930) das Licht der Krimiwelt.