Günter Neuwirth: Sturm über Triest
Inspector Bruno Zabini (3)
Autorin/Autor: Neuwirth, Günter
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Triest, im Jahr 1907. War bisher die Donaumonarchie vor allem eine Binnen-Großmacht mit einem begrenzen Zugang zu den Meeren, so führten die ansteigenden Spannungen rund um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert zum Entschluss, die K.u.K Kriegsmarine aufzurüsten. Sichtbares Zeichen dafür war der Bau von Schlachtschiffen der Radetzky-Klasse, von denen insgesamt drei Schiffe in der Werft in Triest in Auftrag gegeben wurden.
Anlass genug für die befreundeten und konkurrierenden anderen Großmächte der Zeit, ihre Agenten in die alte Hafenstadt zu entsenden. Triest wird zu einem Brennpunkt der Geheimdienst-Aktivitäten, die nicht nur die Agenten, sondern auch die Polizei beschäftigen.
Dabei werden natürlich auch Spitzel angeworben, die an wichtigen Positionen in der Industrie, der Politik oder beim Militär sitzen. Ein solcher ist Gustav Lainer, der in der Werft in Triest als Schiffsbauingenieur arbeitet und dem es gelingt, im Auftrag eines Geheimdienstes die Pläne der ganz neuen Bewaffnung der Schlachtschiffe zu stehlen. Auf dem Weg zur Übergabe, verfolgt von Leopold Freiherr von Baumberg vom kaiserlichem Geheimdienst, gerät Lainer unter einen Zug und ist auf der Stelle tot. Das wiederum ruft Inspector Bruno Zabini auf den Plan, der es seltsam findet, dass es darüber keinen Polizeibericht gibt.
Die ersten Kapitel des Romanes sind für mich etwas unübersichtlich, weil ich die Vorgeschichten aus den ersten beiden Romanen der Reihe nicht kenne. Was ich unter anderem zunächst gar nicht durchblicke, das sind die Liebesverhältnisse von Bruno Zabini, der, wie es aussieht, Liebschaften mit zwei Frauen gleichzeitig pflegt, die noch dazu voneinander wissen und einander freundschaftlich verbunden sind – sieht aus wie eine lupenreine Ménage-à-trois. Meine Verwirrung legt sich langsam (wenn auch nicht völlig), auch mithilfe des Personenverzeichnisses gleich am Anfang des Buches (ein großes PLUS dafür!), und das erfreulicherweise genau ab dort, wo die Handlung Fahrt aufnimmt.
Bald ist allen beteiligten Fraktionen klar, dass mit dem Tod von Lainer auch die gestohlenen Pläne verschwunden sind. Ein Wettlauf der Geheimdienste beginnt und nicht alle verhalten sich dabei Gentleman-Like. Eine der beteiligten Parteien geht bei der Suche im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen und setzt Gewalt ein, ohne viel nachzudenken. Das Leben aller Beteiligten scheint bedroht.
Sobald es Tote gibt, fällt das aber ganz klar in die Zuständigkeit von Inspector Zabini, der wenig Freude damit hat, dass Agenten aus dem In- und Ausland „sein Triest“ für ihre Umtriebe benützen. So gerät der Polizeiagent mitten hinein in internationale Verwicklungen, was auch ihn selbst ins Visier einiger Mitspieler bringt. Im Verborgenen entwickelt sich so etwas wie eine Generalprobe für einen Weltkrieg – wobei die Grenzen zwischen Freund und Feind etwas unscharf sind.
Neben viele anderen Details liefert das Buch auch einen Blick hinein in die Gesellschaft, die Umgangsformen und Konventionen in der Zeit der Donaumonarchie; sehr treffend ist beispielsweise beschrieben, wie außergewöhnlich es ist, wenn die Familie mit den Hausangestellten ein freundliches, vielleicht sogar freundschaftliches Verhältnis unterhält. Es war eben die Zeit, in der Herrschaft und Gesinde meistens noch in strikt voneinander getrennten Welten lebten.
Wobei diese „vielen Details“ gelegentlich etwas zu viel des Guten sind, besonders die Erläuterung der privaten Verhältnisse der Protagonisten ist oftmals recht ausufernd. Das lenkt nach meinem Geschmack zu sehr von der fortschreitenden Handlung ab.
Und dennoch: Alles zusammen – die rasante Krimi- und Spionage-Handlung, die Beschreibung des Alltages und die Verknüpfung mit realen Ereignissen und Personen aus den Jahren 1907 und 1908 – macht aus „Sturm über Triest“ einen Historischen Kriminalroman, der beide Teile dieser Genre-Bezeichnung gleichermaßen mit Leben ausfüllt.
Es ist also nicht zu spät, erst mit diesem dritten Band in die Reihe einzusteigen.