Buchbesprechung/Rezension:

Matt Haig: Wie man die Zeit anhält

Wie man die Zeit anhält
verfasst am 19.04.2023 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Haig, Matt
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Wer kennt das nicht: da ist man beinahe unsterblich, aber – anders als die meisten Leute denken – ist dieser Umstand nicht immer erfreulich. Ganz im Gegenteil, bringt das einige Probleme mit sich, die bei den Normalsterblichen nicht zu finden sind.

Tom Hazard, das ist zumindest jetzt, in der Gegenwart, sein Name, wurde im Jahr 1581 geboren. Medizinisch betrachtet, altert er viel langsamer als die meisten anderen Menschen (fünfzehnmal langsamer, um es genau zu sagen), ist aber nicht der einzige, der mit dieser Abweichung von der Norm lebt. Jahr für Jahr kommen weitere hinzu.

Tom tritt gerade in einen neuen Lebensabschnitt ein, denn Menschen wie er müssen regelmäßig, alle acht Jahre, ihren Wohnort und ihre Beschäftigung wechseln; andernfalls würde seine Umgebung bemerken, dass sie nicht altern. Nur in der Umgebung von Hollywood ist das nicht ganz so kritisch:

»Die Sache ist die«, erklärte er, »um in Kalifornien auszusehen, als würdest du altern, musst du aussehen, als würdest du immer jünger werden. Wenn du jenseits der vierzig noch die Augenbrauen bewegen kannst, werden die Leute misstrauisch.«

Toms Wunsch ist es, in diesem nächsten Lebensabschnitt Geschichtslehrer in London zu sein. Alles wird organisiert, dafür ist die Albatros-Gesellschaft zuständig, die für Menschen wie ihn sorgt. Tom hat kein Problem, die angestrebte Stelle zu bekommen, immerhin muss er die meisten Dinge und Ereignisse auf der Welt in keinem Buch nachlesen, sondern kann sie einfach aus seinem Gedächtnis abrufen. Die Menschen, über die man in den Geschichtsbüchern liest, die hat er vielleicht selbst getroffen oder mit ihnen persönlich gesprochen. Eine andere Art des Geschichtsunterrichtes, bei dem seine Schülerinnen und Schüler einem Augenzeugen zuhören, ohne es zu wissen.

So sehr er also der ideale Geschichtslehrer sein könnte, so sehr wird er bei dem, was er lehrt, immer wieder von Wellen der Erinnerung überrollt.

Ein solches Leben ist wie eine permanente Zeitreise. Wenn der eigene Kopf so vollgefüllt ist mit Erinnerungen an unzählige Orte und Ereignisse, dann kann es nicht ausbleiben, dass man andauernd über eine solche Erinnerung stolpert. Wie mag es wohl sein, sich immer wieder an die zurückliegenden Jahrhunderte zu erinnern? Wie viel kann man sich überhaupt merken? Was so erstrebenswert scheint, das stellt sich bei genauer Betrachtung als durchaus zwiespältig heraus. Es beginnt schon mit der ersten Regel der Albatros-Gesellschaft:

„Die erste Regel lautet, ‚du darfst nicht lieben. Niemals von der Liebe träumen‘ – Solange Sie sich daran halten, kommen Sie durch.“

Verständlich, wenn man die Komplikationen betrachtet, die sich daraus ergeben können. Aber kann man sich an diese Regel überhaupt immer halten?

Es war im Jahr 1599 als Tom sich dieses eine Mal verliebte, obwohl er wusste, dass er es nicht durfte. Rose war ihr Name und sie wusste, was ihn von den anderen Menschen unterschied. Und dann konnte er nur zusehen, wie sie älter wurde und er dabei jung blieb …

Ein spannender Aspekt ist auch das genaue Gegenteil der Erinnerung: während wir gewöhnlich Lebenden uns wenig Gedanken um die Welt in mehreren Jahrzehnten machen (müssen), so mag man sich als beinahe Unsterblicher durchaus Sorgen darüber machen, wie es mit der Welt in ein, zwei, drei Generationen weitergeht.

Wenn man nun Tom durch die Jahrhunderte begleitet, wirkt es beinahe wie eine wirkliche Erinnerung eines wirklichen Menschen (anders gesagt: wie eine Auto-Biografie). Man kann (und wird) sich beim Lesen richtiggehend in die Geschichte hineinziehen lassen, man ist bei den Zeitreisen dabei, trifft Persönlichkeiten, die auch heute noch berühmt sind, manchmal auch Menschen, die so sind wie Tom selbst, und erlebt alles mit.

Zusätzlich wird es immer spannender und fesselnder, wenn man mehr über die Albatros-Gesellschaft und deren Gründer, den dubiosen Mr. Hendrich, erfährt und wenn die jahrhundertelange Suche nach Marion, der Tochter von Tom und Rose, einem Erfolg scheinbar immer näher rückt. Denn Marion ist so wie ihr Vater.




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