Buchbesprechung/Rezension:

Alexander Lernet-Holenia: Beide Sizilien

Beide Sizilien
verfasst am 25.05.2023 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Lernet-Holenia, Alexander
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Zunächst ist es für den Oberst Rochonville nur eine Unterhaltung mit einem seltsamen Fremden. Man lernt einander während einer Dinnereinladung kennen und nun verbreitet dieser Mann, später ist zu erfahren, dass es sich um den Rittmeister Gasparinetti handelt, absonderliche Vorstellungen von Soldatenehre und dass nur ein toter Soldat wahrhaft Ehre verkörpere.

Allem widerspricht der Oberst ganz entschieden. Er selbst hat den Weltkrieg überlebt, genau wie einige seiner Kameraden aus dem kaiserlichen Regiment „Beide Sizilien“. Das Regiment wie auch die alte Monarchie existieren nicht mehr, sieben Jahre liegt der Untergang jetzt schon zurück und Rochonville weiß immer noch nicht, was er als Zivilist mit seinem Leben anfangen soll.

Die Angehörigen des Regiments sind in ihre Heimatländer zurückkehrt, in jene Länder, die nach dem Zerfall der Donaumonarchie durch Grenzen voneinander getrennt sind. Nur sieben von ihnen, einer davon der Oberst, dazu fünf Offiziere und ein Unteroffizier, kamen nach Wien und halten losen Kontakt.

Die Dinnereinladung ist schon zu Ende, als der Abend mit einem Unglück endet. Kaminek von Engelshausen, der Verehrer von Rochonvilles Tochter Gabrielle, wird tot aufgefunden und das in einem Zustand, der beim Täter gehörige Kraft vermuten lässt. Der junge Mann war überdies auch einer der ehemaligen Offiziere des Regiments und Untergebener des Obersts.

Bei Engelshausens Begräbnis treffen die ehemaligen Regimentskameraden zusammen und es stellt sich heraus, dass einige beunruhigt sind. Weil es, so kann man ihren Gesprächen entnehmen, eine Affäre gäbe, eine Frau war darin involviert, was durchaus das Motiv für einen Mörder gewesen sein mag. Hat ein bislang unbekannter Verehrer aus Eifersucht gemordet? Mehr erfährt man nicht, nur, dass es sich bei dieser Frau um Gabrielle handeln solle. Es geht so weit, dass die Herren mutmaßen, dass die Tochter des Obersts wissen müsse, oder wenigstens eine Ahnung hätte, wer der Täter ist. Drei der Herren – Major Lukawsky, Leutnant Fonseca und Oberleutnant Silverstolpe – verabreden, die Angelegenheit zu klären, bevor noch der Oberst selbst in einen Skandal verwickelt wird.

Die Handlung des Romanes umschließt und verbindet zwei Ebenen, die in noch unbekannter Weise miteinander zusammenhängen.

Die eine Ebene, das ist das von Kindheit an anerzogene Standesdenken, das die ehemaligen Offiziere daran hindert, sich in diese neue Welt, die Republik, und das neue Leben, als Zivilisten, einzugewöhnen. Sie leben weiter den Müßiggang, den sie in den alten Zeiten gewohnt waren, wenn es gerade nicht den Befehl zu einem Feldzug oder einen sonstigen Auftrag der Armee gab. Dieser eine Teil des Romanes ist sehr lebensnah beschrieben, man kann diese ehemaligen Soldaten beinahe sehen, wie sie ziellos durch den Tag gleiten. Da kommt den Herren eine solche Angelegenheit recht gelegen, in die sie sich involvieren können.

Der andere Teil ist ein raffinierter Kriminalfall, den man gespannt verfolgt. Dabei stellt sich recht bald die Frage, ob das Motiv Eifersucht haltbar ist, denn wenige Tage nach dem Mord an Engelshausen verschwindet ein weiterer der Offiziere. Könnte das mit dem früheren Regiment zu tun haben, dem alle angehörten? Jedenfalls ist es der Auftakt zu weiteren Vorfällen, in deren Mittelpunkt immer einer der Regimentsangehörigen steht.

Ein weiteres Detail, wenn auch nicht in Bezug auf die eigentliche Handlung, sind die Wege, die Lernet-Holenia die Protagonisten zurücklegen lässt. Gemeinsam mit ihnen wandert man durch die Innere Stadt in Wien, kann gewissermaßen die Strecke durch gut bekannte Gassen, über Plätze und in Lokale wie auf einem Stadtplan nachzeichnen. Jedenfalls, wenn man diese Örtlichkeiten selbst kennt, wird man sich das alles regelrecht vorstellen können; denn vieles davon sieht heute noch genauso oder recht ähnlich aus wie damals.

Die zu Beginn noch sechs Offiziere sind die allerletzten in der Geschichte des Regimentes, die sich über viele Generationen hinzog. Das Regiment ist vergangen in die letzten, die ihm angehörten, folgen ihm, einer nach dem anderen. Ob durch den Lauf der Zeit oder durch eine Person, die für alles das verantwortlich ist – das ist dabei schon beinahe nebensächlich.

Den Vorgang des Vergehens der jahrhundertealten Ordnung kann man am Beispiel der in der neuen Welt verlorenen Männer mitfühlen. Lernet-Holena gelingt es ganz wunderbar, die ausklingende alte Zeit in Sprache zu fassen. Einige überlange und sehr zähe Passagen verhindern aber leider, dass das Buch großartig wird.




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