Buchbesprechung/Rezension:

Antoine Laurain: Die Melodie meines Lebens

Die Melodie meines Lebens
verfasst am 13.05.2023 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Laurain, Antoine
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Diese eine andere Abzweigung, die das Leben genommen hätte. Wohin wäre man gelangt, wenn dieses statt jenem geschehen wäre? Normalerweise müßig, darüber nachzudenken (jedenfalls so lange Zeitreisen noch nicht erfunden sind). In diesem Fall aber ist eine Spekulation über ein ganz anderes Leben durchaus angebracht.

Alain verbringt seine Arbeitstage in seiner Praxis und hört sich Geschichten über die großen und kleinen Leiden an. Routine im Umgang mit den Patienten, dann ein Rezept ausstellen, irgendwann hört er gar nicht mehr so richtig zu, weil diese Geschichten einander doch immer gleichen. Etwas mehr als dreißig Jahre zuvor dachte Alain nicht daran, so sein Geld zu verdienen, er dachte an Musik, an Hits, an ein Leben als Künstler. Am Ende aber wurde daraus nichts, weshalb es dann doch gut war, dass er zugleich auch Medizin studiert hatte.

Alles ist so weit in klar vorgegebenen Bahnen, bis ein Brief aus dem Jahr 1983 in seiner Post liegt. Der Inhalt macht, dass genau das geschieht: dass Alain an ein anderes Leben denkt. Denn im Brief steht ganz eindeutig, dass Alain und seine Band kurz davor standen, einen Plattenvertrag zu bekommen. Einen Plattenvertrag und dann verschlampt die Post diese wichtigste Sendung, die es nur geben kann.

Was macht man, wenn so eine Nachricht aus der Vergangenheit eintrifft. Alain sucht nach den Erinnerungsstücken, die er aus jener Zeit aufbewahrt hat, irgendwo in einer Schachtel findet sich noch einiges. Und seine E-Gitarre ist auch noch da. Er, nun schon jenseits der fünfzig, gräbt in Erinnerungen. Nicht nur hat er ein Leben begonnen, ist selbst älter geworden, die ganz Welt ist völlig anders als damals, im Jahr 1983 und damit auch die früheren Bandmitglieder.

Wie unterschiedlich die Lebenslinien sind, auch wenn sie von einem gemeinsamen Punkt ausgingen. Wie sehr das Schicksal von Menschen, die einst einen Teil ihres Lebens miteinander verbrachten, auseinanderdriftet, wenn nur genug Zeit vergeht.

Wenn auch Alain der Ausgangspunkt der Geschehnisse ist, so sind es doch alle, die in diesem Roman gleichberechtigte Hauptrollen spielen. Der eine wurde zur politischen Hoffnung des Landes, der andere ließ Europa hinter sich und sich in Thailand nieder, einer wurde zum Rechtsextremisten, einer kam mit der sich verändernden Welt nicht mehr zurecht. Einer ist gefragter Künstler und eine hat das Hotel ihrer Eltern übernommen.

In den Rückblicken wird deutlich, dass einige der Gruppe den für sich besten Weg gefunden haben, während andere mit Wehmut der verpassten Chance ein wenig nachtrauern.

So wandert der Schwerpunkt der Erzählung immer weiter, von einem zum anderen. Hineingemengt sind oft Hinweise (um es nicht Seitenhiebe zu nennen) auf die damaligen Verhältnisse in Frankreich (der Roman erschien im Jahr 2017), die zum Teil ganz eindeutig zu erkennen sind, dann wieder aber zu speziell französisch, was es nicht ganz einfach macht, alles zu verstehen.

Es ist in Summe eine wundervoll leichtfüßige, manchmal melancholische, manchmal witzige Erzählung, so wie Antoine Laurain es eben wie kaum ein anderer beherrscht. Für mich ist sie jedoch ein wenig zu zerfahren, zu sehr laufen die einzelnen Erzählstränge nebeneinander und nicht ineinander.

Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich aufgrund des Klappentextes etwas anderes erwartet hatte: Ich finde jedenfalls nicht recht hinein in diese Geschichte. Schade.

PS: was ich erwartet hatte, das war eine “was-wäre-wenn Geschichte”, so etwas wie alternative Lebensläufe der Bandmitglieder, wenn der Brief damals angekommen wäre.




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