Theodor W. Adorno: Aspekte des neuen Rechtsradikalismus
Ein Vortrag
Autorin/Autor: Adorno, Theodor W.
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Welchen Wert kann ein Vortrag über den Rechtsradikalismus aus dem Jahr 1967 im Jahr 2023 noch haben? Kurz gefasst: leider viel zu viel, denn dieser Rechtsradikalismus ist nicht nur nicht verschwunden, sondern erstarkt.
In einer Zeit, in der sich sozialdemokratische Parteien (wie aktuell in Österreich) sehenden Auges dem eigenen Niedergang hingeben, in der die Rechtspopulisten mit einfachen Slogans Propaganda machen, in der konservative Parteien zwecks Absicherung der eigenen Machtpositionen die Rhetorik der Rechten übernehmen, sind alle Analysen, wie es dazu kommen kann und konnte, zu gleich wichtig wie aber auch wertlos.
Denn mit (zuerst noch nur) verbalem Extremismus findet eben leichter Gehör als mit vernünftigen, kompromissbereiten Worten. Wobei in diesem Zusammenhang auf eine Studie hinzuweisen ist, die einen Rückgang des IQ-Niveaus der Bevölkerung zeigt (zwar in diesem Fall nur in den USA bezogen, doch auch bei uns gültig). Man kann über die Ursachen spekulieren, doch das massenhafte Auslagern des Denkens an digitale Medien wird einen gehörigen Anteil daran haben.
Adornos Vortrag in Wien im Jahr 1967 nimmt Bezug auf die damals erstarkende Partei NDP in Deutschland, der in den mehr als fünf Jahrzehnten seither mehrere gleichartige Parteien in nahezu allen demokratischen Staaten folgten. Ebenso nahezu überall ist es diesen Rechtspopulisten und Rechtsradikalen gelungen, den öffentlichen Diskurs zu einem großen Teil zu bestimmen. Fremdenfeindlichkeit, Negieren wissenschaftlicher Erkenntnisse, Einnehmen einer Opferrolle wegen angeblicher Einschränkung der Freiheit, Umsturzpläne, Empörungen über liberale Errungenschaften, Frauenfeindlichkeit … jeden Tag wird irgendwo im demokratischen Teil der Welt etwas angeblich Schreckliches beschworen; wobei die in Wahrheit nur dazu dienen soll, unsere Demokratien zu untergraben.
Bemerkenswert, wie viele Leute es gibt, die einen starken Führer an der Staatsspitze möchten und dabei vergessen, dass gerade solche Leute wie sie selbst die Folgen einer Diktatur zu spüren bekommen (aktuelles Beispiel: Russland). Dass solche Organisationen wie FPÖ, AFD und dazu vergleichbare praktisch überall immer wieder Stimmen hinzugewinnen, ist eine Folge dieses kurzsichtigen Denkens und des Unvermögens, aus den Folgen rechtsradikaler Machtbeteiligung Lehren zu ziehen.
Aus dem Informationstext des Verlages:
Am 6. April 1967 hielt Theodor W. Adorno auf Einladung des Verbands Sozialistischer Studenten Österreichs an der Wiener Universität einen Vortrag, der aus heutiger Sicht nicht nur von historischem Interesse ist. Vor dem Hintergrund des Aufstiegs der NPD, die bereits in den ersten beiden Jahren nach ihrer Gründung im November 1964 erstaunliche Wahlerfolge einfahren konnte, analysiert Adorno Ziele, Mittel und Taktiken des neuen Rechtsradikalismus dieser Zeit, kontrastiert ihn mit dem »alten« Nazi-Faschismus und fragt insbesondere nach den Gründen für den Zuspruch, den rechtsextreme Bewegungen damals – 20 Jahre nach Kriegsende – bei Teilen der bundesdeutschen Bevölkerung fanden.
Wenn auch nicht einfach zu lesen, so ist Adornos Rede doch ein klarer und klärender Blick auf den latenten und dauerhaften Faschismus in der Gesellschaft. Das Nachwort des Historikers Volker Weiss bietet zudem eine unverzichtbare Erläuterung zur Einordnung und zum Verständnis dieser Rede.