Daniel Glattauer: Die spürst du nicht
Autorin/Autor: Glattauer, Daniel
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Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Sehr gekonnt verknüpft Daniel Glattauer in diesem Roman die aktuellen Themen und die teilweise, wegen der dramatischen Folgen, gefährlichen Tendenzen unserer Gegenwart.
Wobei es noch beinahe idyllisch beginnt, wenn zwei Familien mit ihren Kindern und der vierzehnjährigen Aayana, Flüchtlingskind aus Somalia und Freundin der älteren Tochter Sophie Luise, verreisen. Die Eltern, man spürt schon ein wenig von den Spannungen, die im Verborgenen mitschwingen, richten sich in dem angemieteten Haus in der Toskana (mit dem wahrscheinlich größten Pool der Gegend) gemütlich ein. Belanglosigkeiten, Witzeleien, man kommt an und freut sich auf den ersten Abend mit italienischem Essen und Wein.
Die Kinder bleiben sich selbst überlassen, Sophie Luise möchte ihrer Freundin das Schwimmen beibringen; die Erwachsenen möchten Aayana, die ganz in islamischer Tradition aufwuchs, Werte und damit auch die Kleidungsordnung unserer Gesellschaft nahe bringen (soll heißen: Bikini statt Burkini).
Lange hält die ausgelassene Stimmung nicht an. Aayana, die über das Mittelmeer, das große Wasser, mit ihren Eltern und ihrem Bruder nach Europa kam, ertrinkt im Pool.
Glattauer erinnert sich in diesem Roman stilistisch an seinen ersten großen Erfolg – „Gut gegen Nordwind“, wenn er hier ganze Abschnitte mit den Reaktionen der Öffentlichkeit füllt. Sophie Luises Mutter ist prominente Politikerin bei den Grünen, dem Unglücksfall folgen also ausführliche Berichte in den Medien und den Berichten folgen, wir kennen das, ausführlich Kommentare der Leserinnen und Leser. (Wobei erwähnt werden muss, dass Glattauers hier erdachte Kommentare und Kommentare zu den Kommentaren natürlich bei weitem nicht die Brutalität und Gewalt und den Rassismus widerspiegeln, die man in einigen Onlinemedien gewöhnlich – und mit Entsetzen – verfolgen kann).
Aber man bekommt ein Bild davon.
Das ungezügelte Austoben und Hetzen im scheinbar rechtsfreien Raum des Internets ist also eines dieser brandaktuellen Themen, ein weiteres ist der Umgang mit Menschen, die aus ihrem Elend in ihrer Heimat zu uns geflüchtet sind. Auf der einen Seite diejenigen, die helfen wollen, aber dabei oftmals nur versuchen, ihre eigene Weltsicht den Neuankömmlingen überzustülpen. Dann diejenigen, die Mauern als einzige Lösung sehen und dabei die Mauern nicht rund um Europa, sondern zuallererst um ihre eigenen Köpfe bauen. Und schlussendlich die geistig und oft auch körperlich Verwundeten, die von irgendwoher zu uns flüchten, und mit dieser unserer Welt wenig anfangen können; in ihrer Heimat von Terror oder Hunger bedroht, bei uns verloren.
Wenn man liest, wie Sophie Luises Mutter erst die Eltern von Aayana davon überzeugen musste, dass ihre Tochter in die Toskana mitfahren dürfe, wie man dann Schritt für Schritt erfährt, welche Gedanken die Eltern und den Bruder wirklich bewegten, was sie lange hinderte, zuzustimmen, so ist das alles ganz großartig beschrieben. Es ist alles vorstellbar.
Glattauer holt auch noch das Thema der Scheinwelt des Internets in seinen Roman herein, wenn Sophie Luise, die sich nach dem Unglück immer mehr verschließt, glaubt, dort die Hilfe gefunden zu haben, die ihr aus ihrem eigenen Unglück heraushilft.
Zuletzt schrieb Glattauer einige Theaterstücke, was sich in diesem Roman ebenfalls niederschlägt. Dialoge sind gewissermaßen 1:1 Drehbuch-geeignet, die Bandbreite der Gespräche geht dabei von wirklich witzig über klug bis hin zu verzweifelt auf der Suche nach Hilfe … oder Selbst-Bestätigung, je nachdem was gerade geschehen ist.
Bleibt nur zu sagen: ein Roman, den man unbedingt lesen sollte. Die abwechslungsreiche Struktur macht das Lesen kurzweilig, manchmal unterhaltsam, manchmal bedrückend. Man kann lachen, lächeln, mitfühlen und vor allem am Ende sich überlegen, wie man wohl selbst gehandelt hätte.
Das ist ein sehr guter Kommentar, dem ich voll und ganz zustimme. Als ich angefangen habe das Buch zu lesen, versetzte mich der Text sehr stark in die Realität unseres Alltags. Sowohl die Charaktere als auch die Abläufe erschienen mir wie die Schilderung des tatsächlichen Lebens. Dazu kommt noch die Schilderung der einzelnen Protagonisten, die für mich nur Egoismus demonstrieren. Und dann die Kommentare auf Social Media, zum Schämen. Das Buch muss man lesen, man begegnet der Wirklichkeit – hat Glattauer gut gemacht.