Joseph Roth: Die Legende vom heiligen Trinker
Autorin/Autor: Roth, Joseph
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Eine Novelle, in der wohl viel von Joseph Roth selbst steckt. So viel jedenfalls, dass er wusste, wie das Leben als Trinker ist, hatte er doch mit dieser Sucht in seinen letzten Lebensjahren zu kämpfen.
Andreas ist ein Obdachloser, Clochard in Paris. Wie er in diese Situation kam, haben Trübsinn und Alkohol schon weitgehend aus seiner Erinnerung verdrängt. Wie ein Gesandter des Himmels steht eines Tages ein Unbekannter vor ihm, der ihm zweihundert Francs schenken möchte. Einfach so ein Geschenk anzunehmen, das aber widerspricht Andreas‘ Vorstellungen von Ehrgefühl und er verspricht, das Geld nur als Leihgabe zu sehen und es alsbald zurückzuzahlen.
Aus der Unstetigkeit des Trinkers, seiner Wankelmütigkeit in Bezug auf feste Vorsätze und seinem und der dem Alkohol geschuldeten Unvermögen, ein einmal anvisiertes Ziel auch wirklich im Auge zu behalten, entwickelt sich ein steter Kreislauf. Als ob das Glück ihn mit einem Mal gepackt hätte, kommt er immer wieder in den Genuss von größeren Geldbeträgen, als er es jemals für möglich gehalten hätte.
Dabei gelingt es ihm dennoch nicht, seine Versprechen einzulösen und den geliehenen Betrag dorthin zu bringen, wo es vereinbart war. Er hat es vor, doch kommt immer etwas dazwischen, das ihn – es ist ja immer nur für einen kurzen Moment, dann erledigt er das – von seinen Plänen abbringt.
Eine kurze Erzählung, die – soweit man das beurteilen kann, wenn man nicht auch in einer solchen vom Alkohol verschobenen Welt wie Andreas lebt – unglaublich realistisch das beschreibt, was einem Menschen in einer solchen Lebenssituation widerfährt. Einem Menschen, der in einem Strudel gefangen ist, den er nicht verlassen kann und der ihn immer weiter nach unten zerrt.