Theodor Fontane: Stine
Autorin/Autor: Fontane, Theodor
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Gleich im ersten Kapitel ist es, als tauchen man ein in die Atmosphäre einer lebendigen Stadt. Berlin in den 1890-Jahren ist die Hauptstadt des deutschen Kaiserreichs, die wächst und wächst und wächst. Die Straßen geschäftig mit Fuhrwerken, umher eilenden Menschen, Straßenbahnen, vielleicht kann man schon ein paar Automobile sehen.
Dazu ist es mancherorts recht beengt, man sieht, was sich bei den Nachbarn tut und es gibt, das hat sich bis heute nicht geändert, diese Menschen, die den ganzen Tag über nichts Besseres zu tun haben, als sich über andere zu mokieren.
Theodor Fontane beschreibt dieses ganze Treiben so bildhaft, man meint förmlich, es zu sehen (und zu hören).
Was man beispielsweise sieht, das ist die Witwe Pauline Pittelkow. Oft lädt sich der Graf Haldern bei ihr ein, zwecks einer vergnüglichen Abendgesellschaft. Immer bringt er weitere Gäste mit und immer ist auch Paulines Schwester Stine geladen. Dieser eine Abend, als der Graf seinen Neffen Waldemar mitbringt, wird für alle noch viele Jahre als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem das Unglück seinen unaufhaltbaren Lauf nahm.
Waldemar nämlich ist sehr angetan von Stine und nimmt sich, nur wenige Tage später, heraus, diese zu besuchen. Das, obwohl es die gesellschaftlichen Normen wohl nicht zulassen, dass sich Mann und Frau einfach so alleine treffen. Die Treffen werden häufiger. Aus Interesse wird Liebe und daraus erwächst Waldemars wagemutiger Entschluss, seine Stine zu heiraten.
Eine Szenerie, eine Verwicklung, die überaus bildhaft das Denken zum Ende des 19. Jahrhunderts zeigt.
Die zum selbstverliebtem Dozieren neigenden älteren Herren, die ganz in ihrer vermeintlichen Rolle als Lehrmeister der jüngeren Generation aufgehen. Dazu eben diese jungen Menschen, die (ja, so wird es damals wohl gewesen sein) ehrfürchtig eben jenen Monologen lauschen.
Tradition und Standesdünkel, darüber schreibt Fontane in diesem kleinen, kompakten Roman. Wenn Waldemar sich auch vorgenommen hat, um Stines Hand anzuhalten, so ist diese ganz Affäre doch nur ein Ärgernis, nicht nur in der Familie des jungen Grafen, sondern auch bei Stines Schwester Pauline. So sehr ist es den Menschen – und meinen noch so fortschrittlich und aufbegehrend zu sein – in die Wiege gelegt, sich nur in dem gesellschaftlichen Rahmen zu bewegen, in den sie geboren wurden, dass ein glückliches Ende nur schwer vorstellbar ist.