Buchbesprechung/Rezension:

Tove Alsterdal : Nebelblau
Die Eira-Sjödin-Trilogie Band 3

Nebelblau
verfasst am 20.07.2023 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Alsterdal, Tove
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In den Romanen von Tove Alsterdal bekommt man immer beides: viele persönliche Geschichten rund um die Hauptdarstellerin, ihre Familie, ihre Bekanntschaften und Kolleginnen und Kollegen; und natürlich einen Kriminalfall, der die ganz speziellen Ermittlungsmethoden von Eira Sjödin erfordert, um gelöst zu werden.

Eira Sjödin ist eine Polizistin, die sich oft, oft mehr als für sie selbst gut ist, auch emotional involviert. Ein Grund dafür ist, dass sich alles rund um ihre Heimat, einen kleinen, überschaubaren Ort in Schweden zuträgt. Natürlich bekommt Eira es bei ihrer Arbeit deshalb immer wieder mit Menschen zu tun, die sie schon lange kennt und die sie schon lange kennen. Doch was heißt schon kennen? Es bleiben immer Geheimnisse!

Auch in diesem neuen Fall finden sich persönliche Verbindungen und das, obwohl es um einen Mordfall aus dem Jahr 1968 geht: Eine skelettierte Leiche wird durch Zufall bei einem Schiffswrack gefunden.

Es handelt sich um einen jungen Mann, so viel lässt sich in der Autopsie herausfinden, der mit einem Genickschuss ermordete wurde. Zwar kann für diese Tat niemand mehr vor Gericht gestellt werden, der Mord ist bereits verjährt, doch ein Verbrechen kann und darf nicht unaufgeklärt bleiben. So jedenfalls sehen es Eira und ihre Vorgesetzte.

Die Ergebnisse der Recherche führen in die Zeit des Kalten Krieges, der geheimen Aktionen von CIA und KGB, der Antikriegsbewegung, sogar mitten hinein in die Vergangenheit von Eiras Familie. Im Fokus der damaligen Ereignisse standen einige amerikanische GIs, die alles daran setzten, nicht in den Vietnamkrieg ziehen zu müssen und die es als Deserteure ins neutrale Schweden verschlug, das die jungen Männer damals aufnahm. Einer dieser Männer, der dem Militärdienst entrinnen konnte, starb dann aber wenig später in Schweden – er ist der Tote aus dem Fluss.

Eiras Mutter hat, ohne dass es ihr selbst bewusst ist, den Schlüssel zur Lösung des Falles bei sich. Unklar ist nur, ob die sich nicht daran erinnern kann oder will.

Es ist eine sehr detailreiche Handlung, in der sich der Kriminalfall und die persönliche Geschichte Eiras recht ausgewogen den Inhalt aufteilen. Darauf sollte man sich in diesem insgesamt toll geschrieben Roman einstellen: dass man eben nicht nur einen Krimi liest, sondern auch die Lebensgeschichten vieler Menschen. Dabei ist für mich gerade jener Teil, der sich mit den Menschen, ihren Eigenarten, Gedanken und Wünschen beschäftigt, der weitaus beeindruckendere.

Um alles liegt die Klammer einer Vergangenheit, die mit dem Fund des Toten wieder lebendig wird. Tove Alsterdal schreibt über das Trauma des Vietnamkrieges, das eine ganze Generation damals junger Amerikaner bis in die Gegenwart verfolgt. Wenn heute der Überfall Russlands auf die Ukraine die Nachrichten und das Weltgeschehen bestimmt, so war es in den 1971er-Jahren der Vietnamkrieg, bei dem die Intervention der USA zu weltweiten Protesten führte und der Millionen Menschenleben kostete.

Es sind aber auch gerade diese großartig erzählten Geschichten, die der eigentlichen Krimihandlung etwas im Weg stehen. So viele „Nebenschauplätze“ lassen zwar alles sehr detailreich und bildhaft vor dem geistigen Auge entstehen, aber sie unterbrechen auch zu erfolgreich das, was für Spannung in der Krimihandlung führen könnte.

Als Roman, als Story über Menschen damals und heute finde ich „Nebelblau“ wirklich sehr gut gelungen. Als Kriminalroman überzeugt mich das Buch leider nicht so sehr.




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