Buchbesprechung/Rezension:

Wolfgang Korn: Die Bagdadbahn
Der deutsche Orient-Traum

Die Bagdadbahn
verfasst am 25.09.2023 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Korn,Wolfgang
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Online bestellen:   zum Thalia online-Shop
Schon selbst gelesen? Gib hier Deine Bewertung zum Buch ab!
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

Die Neuauflage des Buches „Schienen für den Sultan“ aus dem Jahr 2008 über einen Aspekt der Weltmachtträume des deutschen Kaisers Wilhelm II. : Als das Deutsche Reich dem British Empire den Rang ablaufen wollte.

Wolfgang Korn hat eine Mischung aus Geschichtsbuch und Abenteuerroman geschrieben.

Nicht ohne Grund findet man darin auch Verweise auf die Karl May-Romane mit dessen Alter Ego Kara Ben Nemsi, die genau in den Regionen spielen, die auch in diesem Buch im Mittelpunkt stehen. Denn „Die Bagdadbahn“ ist im Stil kurzweilig, schwungvoll und liefert Einblicke in die Geschehnisse in den Jahrzehnten rund um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert, eben so als würde man einen Abenteuerroman lesen. Der Autor erzählt Geschichte und Geschichten aus der Perspektive der direkt und indirekt daran beteiligten Personen, wirft einen Blick auf die Details und die Beweggründe und beschreibt die Lebensumstände der einfachen Menschen genauso wie die der Herrscher. Das macht in der Summe den besonderen Reiz dieses Buches aus.

Die geschichtlichen Fakten kommen dabei nicht zu kurz, fand im Gegenteil erfährt man unglaublich viel über eine Weltgegend zu einer Zeit der Umbrüche, die entscheidend für die politische und wirtschaftliche Lage auch im 21. Jahrhundert sind. Der Niedergang des Osmanischen Reiches, das von innen und von außen unter Druck war. Die Einflussnahme und Machtpolitik der europäischen Mächte in wechselnden Koalitionen, die unrealistischen und großspurigen Vorstellungen von Wilhelm II. in Bezug auf die angestrebte Rolle des Deutschen Reiches. Die Macht der Geldgeber und die steigende finanzielle Abhängigkeit des Osmanischen Reiches und dessen verstaubte Strukturen. Politik, die sich nach den Launen und Vorlieben von selbstherrlich agierenden Herrschern richtet, wobei Sultan Abdülhamid diesbezüglich Wilhelm II. in nichts nachsteht. Deren groß trabende Pläne, eine Bahnverbindung zwischen Istanbul und Bagdad zu errichten. Der Orient-Hype in Europa, speziell im Deutschen Kaiserreich. Die Bahnstrecke als ein Brennpunkt der kriegerischen Handlungen im 1. Weltkrieg.

Es war ein gigantisches Projekt als Symbol des, wenn auch gegenüber anderen Weltregionen verspäteten, Aufbruchs in das Zeitalter der Technik, das den Interessen der unterschiedlichsten Gruppen dienen sollte.

Mit dem deutschen Bahningenieur Wilhelm Pressel dazu ein Mann im Zentrum des Vorhabens, der als der führende Experte für Bahnentwicklung zu der Zeit galt. Als vom Sultan eingesetzter Generaldirektor der Eisenbahnen war er zu Beginn die treibende Kraft und gewissermaßen der „Vater“ der Bagdadbahn; wenn ihm auch verwehrt blieb, jemals deren Fertigstellung zu erleben. Die Verzögerungen, technischen Hindernisse und politischen Umbrüche brachten es mit sich, dass am Ende praktisch niemand von den Personen, die das Projekt am Anfang vorangetrieben hatten, dessen Fertigstellung erlebte. Die war im Jahr 1940, mehr als 50 Jahre nach Baubeginn;er derjenigen, die das noch erlebten, war Wilhelm II. , der mit dem Ereignis wohl keine rechte Freude hatte. Waren es doch die Briten und nicht die Deutschen, die das bewerkstelligten.

Die enge Verbindung des Projektes mit dem Deutschen Kaiserreich wird im Buch naturgemäß besonders herausgestellt. Beispielsweise durch die innenpolitischen Vorgänge, die Beschreibung der Ambitionen von Kaiser Wilhelm II und sein ungestümes außenpolitisches Vorgehen nach dem Rücktritt Bismarcks, sowie das Engagement deutscher Geldgeber.

Das sind nur ein paar der vielen an historischen Informationen, über die man liest und die alles zusammen ein sehr klares Bild der Verhältnisse ergeben. Eine sehr gute Hilfe, um beim Lesen dieses in Summe sehr umfangreichen Stoffes den Überblick zu behalten, ist auch die wirklich übersichtliche Kapiteleinteilung.

Abseits der „Lawrence von Arabien-Romantik“ ist dieses Buch eine kompakte Zusammenfassung der Vorgänge in einer Weltregion, die sich seit damals (und auch schon einige Zeit davor) zu einem der zentralen Brennpunkte der Weltpolitik entwickelt hat. Bodenschätze, Kolonisierung, Besetzung durch fremde Mächte, das alles ist hier nachzulesen, waren und sind die Zutaten für ein explosives Gemisch, das immer wieder für Eruptionen führt, die auf der ganzen Welt zu spüren sind.

Die Aufmachung des Buches macht es auch für ansonsten weniger an Geschichtsbüchern interessierte Leserinnen und Lesern empfehlenswert. Begleitet vom lockeren Erzählstil erfährt man Geschichte, spannend zusammengefasst und voller Informationen, die die Verbindung von zurückliegendem und gegenwärtigem Geschehen deutlich machen.




Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Top