Buchbesprechung/Rezension:

Andrea Nagele: Und nebenan der Tod

Und nebenan der Tod
verfasst am 19.11.2023 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Nagele, Andrea
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

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Wohnungstausch – günstig in einer anderen Stadt leben, ohne viel Übersiedlungsgut mitzuschleppen, kein steriles Hotel, sondern ein gemütliches Heim? Klingt verlockend, oder?

Was erwartet uns Leser bei Andrea Nageles neuestem Buch?

Gleich im Prolog werden wir Leser Zeugen eines Verbrechens: Ein Paar vergräbt eine Leiche. Noch weiß man nicht, wer und wo sie sind und wer der tote Körper ist. Als Marlene, die gemeinsame Freundin von Adele und Niklas, beides gebürtige Hamburger, die aktuell in einem romantischen Haus auf der Giudecca in Venedig leben, Hilfe benötigt, beschließen die beiden, eine Wohnung in Marlenes Nähe zu mieten. Nachdem der Wohnungsmarkt in Berlin alles andere als einfach ist und Eile geboten ist, entschließt sich das Paar zu einem Wohnungstausch. Schnell ist über eine Internetplattform eine Wohnung gefunden. Das in Berlin lebende Paar, Veronika und Konstantin, scheint sympathisch und trägt sich schon länger mit Übersiedlungsgedanken. Fort aus Berlin. Am besten in den Süden, warum nicht Venedig?

Der Wohnungstausch wird finalisiert, ohne dass sich die Paare persönlich kennenlernen.
Während Veronika und Konstantin in Venedig das große Los gezogen haben, gibt es in Berlin die ersten unliebsamen Überraschungen: Das Haus und die Wohnung in Berlin entpuppen sich als nicht ganz so großartig wie dargestellt, eine Kammer ist abgesperrt. Als sich dann eine neugierige Nachbarin über die neuen Mieter wundert und Adele einiges über die alten, Konstantin, seine Freundin Pauline und gemeinsame Kind, das ein Schreibaby ist, erzählt, ist Misstrauen geboten.

Adele und Niklas bereuen es schon fast, ihr schönes Haus in Venedig verlassen zu haben, zumal Veronika auf Adeles Fragen ziemlich unwirsch reagiert. Nur das Pflichtgefühl Marlene gegenüber hält sie noch in Deutschland. Doch dann stürzt die neugierige Nachbarin, die zuvor noch von Konstantin und Pauline erzählt hat, aus dem Fenster und stirbt.

Und dann bricht der Kontakt zu Veronika und Konstantin ab, alle Daten im Internet sind gelöscht, so als hätte das Paar nie existiert ….

Meine Meinung:

In diesem Thriller lenkt Autorin Andrea Nagele nach dem Prolog die Aufmerksamkeit der Leser auf die beiden Paare. Dabei erscheint keine der vier Hauptpersonen wirklich sympathisch. Adele und Niklas leiden an ihrem unerfüllten Kinderwunsch. Allerdings wirkt Adele selbst noch sehr kindlich. Dazu trägt die eigenartige Beziehung zu ihrem Vater, den sie häufig anruft und der seiner „Kleinen“, seinem „Kindchen“ alle Steine aus dem Weg räumt und das Loch auf dem Konto stopft. Niklas kommt gegen den dominanten Schwiegervater, der wie eine schwarze Wolke über den beiden hängt, nicht an und scheint resigniert zu haben. Immerhin partizipiert er von den Verbindungen und dem Vermögen.

Das andere Paar, Veronika und Konstantin führt eine, wie es scheint toxische Beziehung, wie gefährlich, erfährt der Leser erst gegen Ende des Thrillers. Auch das eigenartige Verhalten zum jeweiligen Freundeskreis des anderen, gibt einem zu denken. Es scheint, als hätte sich Veronika auf Biegen und Brechen in Konstantins Leben gedrängt, nun aber, wo sie ihr Ziel erreicht hat, ziemlich unzufrieden damit ist.

Die Spannung ist zu Beginn beinahe gar nicht vorhanden bzw. wird durch nerviges Geplänkel wie über z. B. Vor- und Nachteile einer Bialetti gegenüber einer Kapselkaffeemaschine verwaschen. So richtig spannend wird es erst, als die geschwätzige Nachbarin tot auf Beton liegt. Der geübte Leser von Andrea Nageles Büchern hat spätestens ab hier eine Ahnung, was vor sich geht bzw. wie sich die Zusammenhänge ergeben.

Mir persönlich ist die Auflösung ein wenig zu kurz geraten. Es braucht geraume Zeit, bis die Handlung so richtig in Schwung kommt. Ein paar Seiten mehr, um Pauline, die uns nur aus Erzählungen eines dritten (!) Paares, nämlich Jochen und Luise bekannt ist, besser kennenzulernen sowie um die Beweggründe von Veronika und Konstantin für ihre Handlungen zu verstehen, hätten dem Buch gutgetan.

Ich kenne Autorin Andrea Nagele und ihre Bücher schon viele Jahre. Im Brotberuf ist sie Psychotherapeutin mit eigener Praxis in Klagenfurt. Am vergangenen Freitag habe ich Andrea Nagele auf der BuchWien getroffen. Beim dortigen Interview, mit Bernadette Redl (Der Standard), erklärt sie, dass sie bei einem Thriller nicht auf die Tat selbst, sondern eher auf die psychologischen Zusammenhänge Wert legt. Als Psychotherapeutin ist sie natürlich mit den Abgründen der menschlichen Seele vertraut und kann aus dem Vollen schöpfen. Ich bin es glücklicherweise nicht, daher hat mir ein Puzzlesteinchen gefehlt.

Ihre Krimi-Reihe rund um Commissaria Maddalena Degrassi, die in Grado spielt, ist eher in das klassische „Whodunit“-Subgenre einzureihen, obwohl auch hier unterschwellig und subtil psychologische Aspekte einfließen. Wie heißt es so schön? Einmal Polizist, immer Polizist. Analog dazu kann weder Andrea Nageles langjährige Erfahrung mit den menschlichen Abgründen noch die erlernten Prozesse der Analyse verleugnet werden.

Fazit:

Ein Psycho-Thriller, der sich erst langsam entwickelt und ein paar Seiten mehr verdient hätte. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.




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