Nicolas Stockhammer: Trügerische Ruhe
Der Anschlag von Wien und die terroristische Bedrohung in Europa
Autorin/Autor: Stockhammer, Nicolas
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Gertie
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Dieses Buch ist den Opfern des Terroranschlags in Wien vom 2. November 2020 gewidmet. Wie konnte es dazu kommen, dass an einem lauen Novemberabend ein Attentäter vier, ihm unbekannte Personen ermordet und 23 weitere teils schwer verletzt hat?
In diesem gut strukturierten Buch geht Terrorismusforscher Nicolas Stockhammer genau dieser Frage nach, sowie jener, ob und wie der Anschlag verhindert werden, hätte können. Eine Frage, die seitdem Justiz und Politik beschäftigt.
Der Autor ortet Behördenversagen, da das (inzwischen aufgelöste) Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) seinen Fokus auf die „Operation Luxor“, eine groß angelegte Razzia im Milieu der Muslimbrüder sowie der diversen Corona-Demos gelegt hat. Zusätzlich war das ohnehin chronisch unterbesetzte BVT mit sich selbst beschäftigt.
Wie konnte die Entwicklung des Attentäters vom schmächtigen Jugendlichen zum überzeugten Islamisten direkt unter den Augen des Staatsschutzes gelingen? Wo lagen hier die Versäumnisse?
Nicolas Stockhammer geht in seinem Buch nicht nur auf den Mann, der dem Verfassungsschutz bereits als Jugendlicher aufgefallen war, sich dem Islamischen Staat als Kämpfer anschließen wollte und sich dann im Gefängnis weiter radikalisiert hat, ein, sondern untersucht auch die Trends und Phänomene des europäischen Jihadismus. Denn, so der Autor, sind einige Stationen in der Entwicklung des Wiener Attentäters symptomatisch für Attentäter europäischer Prägung. Zahlreiche europäische Länder sind mit sogenannten „Einzeltäter Plus“, also eine Art „Gelegenheitsterroristen“ konfrontiert. Diese Einzeltäter sind durch ihren „ Low-Level-Terrorismus“ besonders schwer auszumachen. Oft reichen schon ein Küchenmesser oder Auto (wie in Nizza oder Barcelona), um Terrorakte zu verüben. Einzeltäter heißt aber nicht, dass sie nicht Unterstützung durch Gleichgesinnte haben. Das ist eben das „plus“ in der Bezeichnung. Auch der Attentäter von hatte Helfer. Einige sind ausfindig gemacht worden.
Wie solche Anschläge in Zukunft vermieden werden können? Die potenziellen Täter kommunizieren vor allem über Messenger-Dienste und besorgen sich ihre Waffen im Darknet. Hier hat Österreich einen Nachholbedarf anderen Ländern gegenüber, deren Nachrichtendienste über deutlich mehr Personal und Befugnisse verfügen.
Bislang ist man Österreich davon ausgegangen, für den internationalen Jihadismus nicht interessant genug zu sein. Das Attentat vom 2. November 2020 hat eines deutlich gemacht: Auch Österreich und Wien sind keine Inseln der Seligkeit. Die trügerische Ruhe, die bislang geherrscht hat, hat es dem Attentäter nicht allzu schwer gemacht, seinen Vorsatz in die Tat umzusetzen.
Fazit:
Diesem profunden Überblick über die aktuelle terroristische Bedrohungslage in Europa und Österreich gebe ich gerne 5 Sterne.