Buchbesprechung/Rezension:

Bettina Balàka: Der Zauberer vom Cobenzl

Der Zauberer vom Cobenzl
verfasst am 23.12.2023 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Balàka, Bettina
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Wo sind die Grenzen zwischen Wissenschaft, Spiritismus und Glaube? Hat alles seinen Platz in unserer Welt? Das ist zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine Frage, deren Beantwortung durchaus noch in der Schwebe ist.

Es treffen die jahrhundertealte Dominanz der Kirchen mit der immer rasanter werdenden technischen Entwicklung und dem Glauben der Menschen an eine mythische Zwischenwelt aufeinander.

Ein Wanderer zwischen diesen Welten war zweifelsohne Carl Ludwig Friedrich Freiherr von Reichenbach, der ab den 1830er-Jahren Besitzer des Schloss Cobenzl war. Einerseits war Reichenbach ein innovativer Techniker, der zunächst insbesondere im Bereich der Eisenproduktion tätig war. Nach der Übersiedelung von Blansko in Mähren nach Wien verlor sich Reichenbach andererseits jedoch mehr und mehr in der Erforschung der von ihm angenommen Energieform “Od”. Dabei würde es sich um etwas handeln, über das alle Lebewesen verfügen und das für dafür sensible Menschen als flackernde Lichter sichtbar wäre.

Bettina Balàka erzählt das Leben von Reichenbach und seiner Familie aus den Augen von dessen Tochter Hermine. Balàka setzt für ihren Roman die Existenz von zwei Töchtern voraus: Jene der wissenschaftlich interessierten Hermine und der musisch begabten Ottone. Tatsächlich handelt sich dabei um eine historisch belegte Person, nämlich die im Jahr 1819 geborene Hermine, die sich schon in jungen Jahren für die Botanik interessierte. Die Existenz der zweiten, jüngeren Tochter Ottone ist jedoch nicht eindeutig belegt, je nach Quelle lebte sie tatsächlich oder war in Wahrheit ein Bruder Hermines mit dem Namen Otto Eugen. Die Geburtsdaten dieser beiden Personen stimmen jedenfalls überein.

Der Roman ist eine Wanderung durch ganz unterschiedliche Lebensbereiche, die diese Zeit des Wandels charakterisieren. Da findet sich ein Blick auf die industrielle Revolution, als die kleinen Handwerksbetriebe durch immer größere und modernen Industriebetriebe verdrängt wurden. Während die Technik voranschritt, hielt die Entwicklung der Gesellschaft nicht Schritt: Frauen und Männern wurden weiterhin die überkommenen Rollenbilder zugeordnet. Am Beispiel des realen Lebensweges der Hermine, die ihr Interesse an der Wissenschaft nicht ausleben konnte, sind viele Aspekte der Benachteiligung der Frauen nachzulesen, die wir heute nicht mehr verstehen können. Dann ist da die Verwirrung der Menschen, die oftmals in dieser Vermischung von Überlieferungen und Moderne die Orientierung verloren und Halt in Geisterwelten suchten. Die damals (und noch lange Zeit) allseits beliebten Séancen in den Salons waren sicher auch ein Ausdruck dessen.

Das Revolutionsjahr 1848 spiegelt sich auch im Schicksal der Familie Reichenbach. Während in den Straßen Wiens Barrikaden errichtet werden, lösen sich die Töchter von einem Vater, der sich keinesfalls von seinen alten Konventionen lösen möchte.

Das vermengt die Autorin mit dem historischen Rahmen zu einem sehr anschaulichen Zeitbild. Nicht ohne, so jedenfalls mein Eindruck, damit auch den in den letzten Jahren so aufwallenden Glauben an Esoterisches und Verschwörerisches zu meinen. In dem Sinn, dass es zwar kein Fehler sein kann, Erkenntnisse infrage zu stellen, es jedoch ein Fehler ist zu behaupten, dass eine These nur deshalb richtig sein soll, nur weil sie allen anderen widerspricht.

Das Buch ist eine sehr anschauliche, bewegende und bildhafte Romanbiografie der Reichenbachs und ein Roman über eine ganze Epoche, in den kunst- und sinnvoll historische Persönlichkeiten eingebunden sind. Darüber hinaus belegt der „Der Zauberer vom Cobenzl“ aber auch, dass Verschwörungsgeschichten und der Glaube an Übersinnliches sehr offensichtlich zur menschlichen Zivilisation gehören. Was auch in Ordnung ist, solange am Ende die Fakten zählen.




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