Henrik Siebold: Inspektor Takeda und der schöne Schein
Inspektor Takeda ermittelt, Band 7
Autorin/Autor: Siebold, Henrik
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Es ist quasi der Alptraum aller Kriminalisten. Eine männliche Leiche wird im Freien gefunden, ein Hund beim (wetterunabhängig) notwendigen Spaziergang hat ihn entdeckt und es schüttet, wie schon lange nicht mehr. Da hilft auch nicht das über den Toten gespannte Zelt der Spurensicherung nichts, alles versinkt im Schlamm.
Der unbekannte Tote liegt schon seit mehr als einer Woche hier, was die Suche nach Spuren nicht erleichtert.
Während Claudia Harms den Tatort untersucht und dabei bis auf die Knochen nass wird, geht es ihrem Partner zur selben Zeit weitaus besser. Ken Takeda sitzt im großzügigen Landhaus der Gräfin Ernestine von Remsau, etwas außerhalb Hamburgs und lauscht gemeinsam mit einer kleinen Runde weitere Gäste den Ausführungen über die Werke des berühmten japanischen Malers Katsushika Hokusai. Die Einladung der alten Dame konnte er nicht ablehnen und es ist natürlich auch eine erfreuliche Abwechslung für ihn; erfreulich auch der Anblick von Alexa, der Nichte der Hausherrin. Alle lauschen den Ausführungen der Kunsthistoriker Ulrike Vogler, die über die neueste Erwerbung der Gräfin referiert: ein Druck des Bildes „Die große Welle von Kanagawa„; ein ganz spezieller Druck, eine Weltsensation, wie sich herausstellt.
Siebold bedient sich eines sehr oft in Krimis genutzten Settings (wenn es nicht überhaupt das meistgenutzte überhaupt ist). Ein Landhaus, abgeschnitten von der Umwelt, niemand kommt herein, niemand hinaus. Wer immer die Gräfin ermordet hat, ist also noch immer da. Was wird die Lösung sein? Jemand täuscht den eigenen Tod nur vor, jemand hat eine fremde Identität angenommen, oder etwas ganz anderes. Der Vergleich mit Hercule Poirot findet sich im Buch, also ist es durchaus legitim herauszufinden, ob es Takeda mit dem Meisterdetektiv aufnehmen kann (und Henrik Siebold mit Agatha Christie).
Zunächst einmal ermitteln Takeda und Harms in den beiden Fällen unabhängig voneinander. Solange, bis, gut versteckt im wahren Sinn des Wortes, ein Hinweis gefunden wird, der die beiden Verbrechen miteinander verbindet.
Eine wirklich sehr schwungvolle und abwechslungsreiche Geschichte, die Henrik Siebold in diesem siebenten Fall von Takeda & Harms erzählt. Was mit an diesem Krimi besonders gefällt, das ist nicht eine prickelnde, mitreißende Spannung, sondern wie sich alles, Schritt für Schritt, beginnt ineinander zu fügen. Also tatsächlich Aufbau und Stil ein wenig an die Poirot-Krimis angelehnt.
Wer die klassischen englischen Landhauskrimis mag, wird mit diesem Roman wirklich gut unterhalten. Ein feinsinniger Detektiv, ein einsames Landhaus, eine unvorhersagbare Wendung sind eben die klassischen und passenden Ingredienzien dafür.
Darüber nimmt der Roman ein Thema ins Visier, das die meisten Leute nur wenig mit der Geschichte Deutschlands in Verbindung bringen. Wenn man bei uns an Sklaverei denkt, dann wohl an die Vereinigten Staaten, an die alten Kolonialmächte, aber weniger an die Länder Mitteleuropas. Ein besonders gewissenloser Sklavenhändler und Besitzer von Zuckerrohrplantagen in der Karibik, der im 18. Jahrhundert sein Unwesen trieb, spielt bei den Ereignissen eine gewisse Rolle: Carl von Schimmelmann. Was man über den Mann liest, entspricht den Tatsachen, es ist durchaus empfehlenswert, sich weiter über die historischen Hintergründe dazu zu informieren. Im Nachwort klärt Henrik Siebold selbst sehr umfangreich über die Hintergründe auf (Was „gewisse“ Rolle genau bedeutet, werde ich, um nicht zu viel von der Handlung vorwegzunehmen, nicht beschreiben.)
Zusammengefasst:
Die Story, die sehr hintergründige, am Ende ab doch schlüssige Konstruktion des Falles, die Beschreibung der handelnden Personen und die Verbindung mit realen, wenn auch lange zurückliegenden Ereignissen, macht aus diesem Krimi wirklich ein sehr empfehlenswertes Buch.
Kurz gesagt: Band 7 der Reihe ist damit für mich der bisher mit Abstand beste und überhaupt einer der Top-Krimis des Jahres!
PS: und zur Frage, ob es Henrik Siebold mit Agatha Christie aufnehmen kann? Ich meine: mit diesem Krimi beinahe. :-)