Buchbesprechung/Rezension:

Josephine Tey: Alibi für einen König
Inspector Grants fünfter Fall

Alibi für einen König
verfasst am 03.12.2023 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Tey, Josephine
Genre:
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Allen Details der Handlung zu folgen ist kaum möglich, wenn man zuvor nicht ein paar Semester englische Geschichte studiert hat. Namen, Daten, Ereignisse flirren nur so durch den Roman, dass ich hin und wieder anhalten muss, um zumindest einige dieser Informationen nachzuschlagen.

“Alibi für einen König” ist alles in allem weniger ein Krimi als vielmehr ein historischer Roman über eine Tat, die fünfhundert Jahre zurückliegt. Für Briten, die über ihre Könige im Geschichtsunterricht in der Schule lernten, mag die Aufgabenstellungen schon im Grundsatz spannend sein: war Richard III, der letzte Plantagenet-König, ein Mörder oder wurde seine wahre Lebensgeschichte umgeschrieben? Und wenn es tatsächlich so war, wie konnte die Wahrheit so ins Gegenteil verkehrt werden und wie konnte sich diese Geschichtsfälschung, trotz aller Historiker, die sich der Sache annahmen, über die Jahrhunderte halten?

Ein Aspekt wäre bald gefunden, wenn man unterstellt, dass Richard III. KEIN Mörder war: um seinem Nachfolger Heinrich VII eine größere Legitimität zu verschaffen.

Nach einer unglücklich geendeten Verfolgung eines Verbrechers muss Inspektor Grant mit einem gebrochenen Bein im Krankenhaus liegen. Bettruhe ist für ihn ein Gräuel, immer nur die Wände und die Decke anzustarren, nur unterbrochen von Besuchen von Bekannten, Kollegen und den Schwestern, das zerrt an seinen Nerven.

So ist ein Rätsel doch eine überaus abwechslungsreiche Aufgabe. Weil Grants Begabung vor allem ist, aus den Gesichtern den Charakter der Menschen abzulesen, versorgt ihn eine gute Freundin mit einem Stapel Porträtbilder. Darunter ist auch eines von Richard III, das Grant sofort in den Bann zieht. Seine Erinnerungen an das, was er in der Schule gelernt hat, passen mit dem Eindruck, den er aus dem Bild gewinnt, wenig überein. Je länger er das Bild von Richard III betrachtet, desto mehr ist er überzeugt, keinen Mörder vor sich zu haben. Grant stürzt er sich mit Enthusiasmus in die Aufgabe, die Hintergründe aufzuklären.

Worauf er dabei sehr häufig trifft, das sind Berichte aus dritter Hand, Bücher, deren Inhalt auf Hörensagen beruht und von persönlichen Interessen von Zeitgenossen des Königs eingefärbte Überlieferungen. Mit jedem neuen Dokument, das Grant zu sehen bekommt, wandelt sich das in England verbreitete Bild Richards vom skrupellosen Mörder zu einem nach Ausgleich und Frieden strebenden Mann. Letztendlich ist es aber die wesentliche Aufgabe herauszufinden, welches dieser Dokumente die Wahrheit erzählt und was von allen den ihm bald vorliegenden Informationen mit dem Ziel in die Welt gesetzt wurde, das Vermächtnis des Königs zu schädigen.

Es ist ein spannendes und vor allem sehr ungewöhnliches Thema für einen Krimi.

„Alibi für einen König“ wurde im Jahr 1969 von der englischen Crime Writers’ Association zum bestens Kriminalroman aller Zeiten gekürt. Für Nicht-Briten lässt sich diese Auszeichnung naturgemäß nicht so einfach nachvollziehen, eben weil die krimi-typischen Elemente weitgehend fehlen. Dafür hat man aber am Ende enorm viel über eine mehr als fünfhundert Jahre zurückliegende Epoche der englischen Historie erfahren.

Es eine Geschichte, die auch im Heute spielen könnte. Darüber, wie sich ein einmal in die Welt gesetztes Gerücht dauerhaft als vermeintliche Wahrheit halten kann, obwohl es genug Beweise für das Gegenteil gibt. Wenn die Wahrheit weniger aufregend als die Lüge ist, dann gewinnt eben oft die Lüge …

PS: Josephine Tey (ein Pseudonym der englischen Autorin Elizabeth Mackintosh) übernimmt auch selbst eine kleine Nebenrolle im Roman: wie sie selbst ist auch die im Buch mehrfach erwähnte Madeline March eine Autorin von Krimis und Theaterstücken




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