Buchbesprechung/Rezension:

Ken Follett: Die Waffen des Lichts

Die Waffen des Lichts
verfasst am 27.12.2023 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Follett, Ken
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Es ist die Zeit des beginnenden Überganges von der beinahe uneingeschränkten Macht des Adels und der Reichen hin zum Zeitalter der Mitbestimmung des Volkes. Es ist ein Anfang (mehr auch nicht), der mit der zunehmenden Industrialisierung einhergeht; zugleich brachte die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in der Folge der Französischen Revolution und des Aufstiegs und Falls von Napoleon Bonaparte nachhaltige Umwälzungen in ganz Europa mit sich,

Damit ist der Hintergrund der Ereignisse in Kingsbridge kurz zusammengefasst, von denen Ken Follett im fünften Roman der historischen Reihe erzählt.

Es ist ein großer Zeitsprung von „Das Fundament der Ewigkeit“ (dem dritten Band der Reihe), der mit dem Jahr 1620 endet, ins Jahr 1792. Die Unabhängigkeit der ehemaligen britischen Kolonien in Amerika und die Französische Revolution haben die Welt in den zurückliegenden Jahren schon unumkehrbar verändert. Auch wenn diese Veränderungen in Leben der einfachen Menschen noch keine Auswirkungen hatten, so beginnt sich eine neue Ära abzuzeichnen.

Sal Clitheroe verliert ihren Mann Harry, weil Will Ridderick, der brutale Sohn des Grundherren, seine Untergebenen rücksichtslos antreibt. Als Harry versucht, einen Wagen, der wegen Überladung ins Rutschen gekommen ist, aufzuhalten, wird er überrollt. Schuld ist, das wissen alle, Will, der nicht auf die Leute gehört hatte, die ihnen warnten, doch niemand wagte es, sich zu widersetzen. Harry überlebt das Unglück nicht, es ist der Beginn einer viele Jahre andauernden Feindschaft zwischen Sal und den Will. Doch nur Sal bekommt die Folgen direkt zu spüren, sie wird verbannt, nachdem sie in ihrer Wut Will angegriffen und niedergeschlagen hatte. Es wird sich letztendlich als Glücksfall für sie herausstellen, dass sie die verwahrloste Hütte verlassen muss und mit ihrem Sohn Christopher „Kit“ nach Kingsbridge zieht. 

Ein Blick auf die politischen und sozialen Verhältnisse

Mit der Beschreibung des Alltages verbindet Follett die realen Zustände der damaligen Zeit mit den Schicksalen der Protagonisten seines Romanes. Sal erhält eine Anstellung bei einem Tuchfabrikaten und erweist sich als tüchtige und geschätzte Arbeiterin. Zu ihrem Glück findet sie eine Arbeitsstelle bei David „Spade“ Shoveller, einem Mann, der, ganz anderes als den meisten seiner Unternehmerkollegen, die Menschen, die er beschäftigt, am Herzen liegen.

Der größte Tuchfabrikant der Stadt ist Hornbeam, ein rücksichtsloser Antreiber, dem nur sein Profit wichtig ist. Für seinen Profit schikaniert er seine Arbeiter und für seinen Aufstieg nützt er jede Intrige und vor allem seine Stellung als Stadtrat aus, egal, was das für Folgen für die Bewohner der Stadt hat. Alle, die Arbeiterinnen und Arbeiter und die Unternehmer wie Spade, Hornbeam oder der liberale Tuchhändler Amos Barrowfield, müssen sich in diesen Jahren neuen Herausforderungen stellen, die durch die Erfindung neuer Maschinen erwachsen.

Es sind aber nicht nur die Männer, die in Folletts Roman zentrale Rollen spielen. Obwohl Frauen damals nur selten in den Vordergrund traten, übernehmen sie bei Follett entscheidende Rollen. Sal schafft es aus bitterer Armut heraus und ermöglichtes es ihrem Sohn Kit, zu einem erfolgreichen jungen Mann heranzuwachsen, der die Standesgrenzen sprengt. Arabella, die Frau des Bischofs von Kingsbridge und ihre Tochter Elisa setzen durch, dass die Kinder der Armen der Stadt in einer Sonntagsschule Lesen und Schreiben lernen und wenigstens an einem Tag der Woche mit ausreichend Essen versorgt werden.

Während man die Lebensläufe einiger der Bewohnerinnen und Bewohner von Kingsbridge verfolgt, beschreibt Follett dies alles vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und sozialen Ungleichheit. Wer Geld und Macht hat, bestimmt über die Armen, wer keine Macht hat, hat auch keine Rechte und ist der Willkür der Mächtigen meist schutzlos ausgeliefert. Dieser Aspekt des Romanes ist gewollt überaus politisch, denn Follett nimmt klar Position für die Unterprivilegierten, die jeden Tag um ihr Überleben kämpfen müssen und die willkürlich bestraft werden, wenn es ihren Grundherren und Arbeitgebern gefällt.

In diesen Abschnitten liest man viel über ein Rechtssystem, das den Namen nicht verdiente. Ein System, in dem eine kleine Schicht von Wohlhabenden über Leben und Tod entscheiden konnte, in dem man für einen kleinen Diebstahl gehängt werden oder in dem mit einem Federstrich ein ganzes Leben zerstört werden konnte.

Der Blick auf das Unrecht, auf die Korruption der Einflussreichen und die Veränderungen durch die Industrialisierung und der damit verbundenen Kampf der Unterschichten und die ersten Versuche, gewerkschaftliche Organisationen zu gründen – das sind die zentralen Themen des Romanes.

Folletts Hauptdarsteller kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Er beschreibt sehr bildhaft und deutlich, wie die Menschen damals lebten und dachten, welche Vorstellungen von Leben sie hatten und was sie bewegte. Die Liste der Protagonisten ist, typisch für Follett, sehr umfangreich, viele Namen, viele persönliche Verbindungen. Weil die Beschreibung von Menschen einer der Schwerpunkte und eine der Stärken in (allen) seinen Romanen ist, fällt es leicht, den Überblick zu behalten. Wer auch immer in der Geschichte auftritt, ist unverwechselbaren Charakterzügen ausgestattet; so lässt Follett tatsächlich so etwas wie eine typische, vielfältige Stadtbevölkerung aus der Zeit vor mehr als 200 Jahren erstehen.

Ein Kapitel ist der Schlacht bei Waterloo gewidmet, in dem sich klein wenig von dem Grauen erahnen lässt, das auf den Schlachtfeldern geherrscht haben muss. Als tausende Soldaten stur in das Feuer von Gewehren und Kanonen liefen und so lange über die Körper der vor ihnen Gefallenen stiegen, bis sie selbst starben.

„Die Waffen des Lichts“ endet mit den 1820er-Jahren. Die Schlacht bei Waterloo war nicht nur für die Armeen Europas und den Kontinent insgesamt ein schicksalhaftes Ereignis. Aus ganz unterschiedlichen Gründen waren auch die Frauen und Männer, deren Geschichte der Roman verfolgt, dort versammelt und manche sterben in der Schlacht.

Das Finale

Ken Follett erklärt selbst, dass dieser fünfte Roman der Kingsbridge-Reihe zugleich auch der letzte wäre. Damit umspannt die gesamte Saga einen Zeitraum von mehr als 800 Jahren. Weil aber zwischen den Geschichten noch Lücken über viele Jahre und Jahrhunderte übrig bleiben, wird man sehen, ob Follett es damit wirklich erst meint, oder ob sich diese Lücken nicht doch noch mit weiteren Romanen schließen werden. Denn nach „Never“ aus dem Jahr 2021 (dem nach meinem Empfinden bisher überhaupt schlechtesten Roman Folletts) ist die Rückkehr nach Kingsbridge wieder ein Lesehighlight, von dem es mehr geben könnte.

Auch ohne die Vorgeschichte zu kennen, findet man schnell in die Handlung und wird davon bald mitgerissen. In bewährter Mischung aus historischen Fakten und persönlichen Schicksalen erzählt Follett eine packende Geschichte von Recht und Unrecht, Liebe und Verzweiflung, Aufstieg und Fall. Weil er dabei Faktion und historische Fakten ebenso gekonnt wie routiniert fugenlos aneinanderfügt, erscheint alles wie ein Bericht aus der Zeit.




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