Buchbesprechung/Rezension:

Andreas Pittler: Wiener Auferstehung
Wiener Triptychon (2)

Wiener Auferstehung
verfasst am 25.01.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Pittler, Andreas
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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[Gesamt: 1 Durchschnitt: 5]

Wien nach dem Ende der Nazi-Diktatur – das Leben geht weiter, doch manches ändert sich nicht.

Im zweiten Teil des „Wiener Triptychons“ mit dem vielsagenden Titel „Wiener Auferstehung“ führt uns Andreas Pittler in die Zeit nach 1945. Wir befinden uns wieder inmitten der drei Familien Glickstein, Strecha und Bielohlawek.

Von der Familie Glickstein, den ehemaligen Eigentümern des Hernalser Bräu, hat nur Caroline überlebt, weil sie rechtzeitig aus Wien fliehen konnte. Sie kämpft, nunmehr Mutter einer Tochter, von Amerika aus, um die Restitution der Brauerei.

Wickerl Bielohlawek hat die Nazizeit im KZ Buchenwald gerade noch überlebt und Arthur „ Turl “ Strecha ist in den letzten Kriegstagen desertiert. Beim ersten Treffen der ehemaligen Freunde steht fest, dass sie nie mehr an die Zeit vor dem Krieg anknüpfen können, zu unterschiedlich ist die Entwicklung der beiden verlaufen. Es hat sich wenig verändert, wenn man von den Zerstörungen der Stadt und der schlechten Versorgungslage in Wien absieht. Die tiefen Gräben zwischen Sozialisten und Nazis sind nach wie vor vorhanden, obwohl nach 1945 keiner bei den braunen Horden gewesen sein will. Allen gemeinsam ist die Angst vor der einmarschierenden Roten Armee, wenn auch aus verschiedenen Gründen.

Die Männer der Familien Strecha und Bielohlawek sind nach wie vor verfeindet. Der alte Strecha fühlt sich wieder ein- mal benachteiligt und neidet dem alten Bielohlawek seinen Posten in der Brauerei. Dabei ist der Fritz nur ein Strohmann und dient dem ehemaligen Direktor als Persilschein. Ihre Frauen, Fanny und Fini, gehen die Sache pragmatischer an und versuchen, das Beste aus der Misere zu machen.

Meine Meinung:

Wie schon im ersten Band „Wiener Kreuzweg“ sind die drei Familien eng mit der Geschichte der (fiktiven) Brauerei in Hernals , dem 17. Wiener Gemeindebezirk, verwoben. Es scheint, als spiegelte sich die große Welt im Mikrokosmos des Hernalser Bräu.

Gut herausgearbeitet sind die Winkelzüge der Nazis, die die den Juden geraubten Besitztümer unter allen Umständen behalten wollen und vor einem weiteren Betrug und Erpressung nicht Halt machen. Sehr gut ist die beschämende Haltung der österreichischen Behörden beschrieben, die sich mit Restitutionsansuchen möglichst lange Zeit lassen und den Erben der ermordeten Juden alle nur erdenklichen Steine in den Weg legen. Hier ist besonders Oskar Helmer, Innenminister in mehreren Regierungen von 1945 bis 1959, und bekannt für seine antisemitische Einstellung, hervorzuheben. Er ist unbedingt dafür, „dass man die Sache [die Rückgabe des enteigneten jüdischen Besitzes] in die Länge zieht.“ . Stattdessen setzt er sich wiederholt dafür ein, dass wegen Mordes rechtskräftig verurteilte und in der Strafanstalt Stein inhaftierte Nazis bei diversen Weihnachtsamnestien begnadigt werden.

Andreas Pittler zeigt uns die Erstarkung der Gewerkschaften, vor allem unter der Führung von Franz Olah (1910-2009), der später einmal für gerade einmal ein Jahr Innenminister sein wird und wegen Veruntreuung ins Gefängnis muss. Diese Geschichte, wie Franz Olah, selbst Gewerkschaftsboss, die Oktoberstreiks beenden konnte und einen Bürger- krieg wie anno 1934 vermieden hat, ist fesselnd erzählt. Sie ist vermutlich nur den wenigsten bekannt.

Dieser Teil liest sich wie das „Who is Who„ der österreichischen Nachkriegspolitik – sehr aufschlussreich für historisch Interessierte. Allerdings wird uns die Politik nicht aus Sicht der „Großkopferten“ (also der Mächtigen), sondern aus der Perspektive der einfachen Menschen, darunter Sozialdemokraten, Kommunisten sowie ehemalige Nazis gezeigt.

Sprachlich ist auch dieser zweite Teil des Triptychons ein wahrer Genuss. Pittlers Erzählduktus bildet neben dem Aufbau der drei miteinander verwobenen Familiengeschichten einen hohen Spannungsbogen.

Wie es mit der nächsten Generation der drei Familien weitergeht, und da im Besonderen mit Mary, Caroline Glicksteins Tochter, werden wir im dritten Teil „Wiener Himmelfahrt“ zu lesen bekommen.

Fazit:

Ein authentischer Roman aus dem Wien der Nachkriegszeit. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Unbedingt „Wiener Kreuzweg“ zuvor lesen!




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