Georges Simenon: Die grünen Fensterläden
Autorin/Autor: Simenon, Georges
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Émilie Maugin, der Mann, der es aus den ärmsten Verhältnissen in der Provinz zum Star auf den Theaterbühnen und in den Kinos gebracht hatte. Bald wird er sechzig Jahre alt sein, ein Zyniker ist er, der nichts und niemanden auf der Welt als ebenbürtig betrachtet; alle wollen sie sich nur in seinem Licht sonnen, alle suchen nur seine Aufmerksamkeit.
Immerhin eine Sache betrachtet er als ihm ebenbürtig, wenn es auch kein Lebewesen, so doch ein zuverlässiger Begleiter ist: den Alkohol. Der Rest der Welt nervt nur noch, er weiß nicht, wie er mit den Leuten, die in dieser Welt leben, umgehen soll, am liebsten wäre ihm, alle wären verschwunden.
So ein Leben bleibt nicht spurlos, gerade hat ihm sein Arzt gesagt, dass sein Herz so ist wie das eines fünfundsiebzigjährigen. Hingegangen war er, weil er immer öfter diesen Schwindel spürte, aber heimlich ist er hingegangen, damit die Presse nicht irgendwelche Geschichten daraus macht.
So beginnt das Psychogramm eines Mannes, der an einem Punkt angekommen ist, an dem er gar nicht mehr anders als kann. Er ist nicht mehr einfach nur „Der Maugin“, er ist der, der sich in einer Rolle als er selbst darstellt.
Ändert die Diagnose seines Arztes etwas an seiner Einstellung zum Leben? Oder bleibt er dabei, dass es ja Menschen gibt, die viel älter als die 75 werden.
Bisher begegnet er anderen mit Zynismus, betrachtet Menschen in deiner Nähe als Belastung, aber manche braucht man eben für seine Zwecke. Von seiner Vergangenheit hatte sich distanziert, da gibt es nichts, worauf man bauen kann, wenn der Vater ein Säufer und die Mutter eine Prostituierte war.
Nur mit Alice, seiner sehr jungen Ehefrau verbindet ihn etwas. So viel, dass er der Schwangeren damals vorgeschlagen hatte, zu heiraten, damit das Kind eine Familie hat. Dabei hatte er Alicia kennengelernt, als die schon schwanger war, mit dem Vater des Kindes aber nichts zu tun haben wollte.
Was also wird jetzt? Maugin, der Vielarbeiter nimmt eine Auszeit, lässt Theater und Filmstudios hinter sich und fährt mit Frau und Kind ans Meer. Südfrankreich, eine Villa, Abstand zum alten Leben: Der Versuch, ein anderes Leben zu beginnen, wird jedoch nicht gelingen.
Was hat es mit den Grünen Fensterläden auf sich? Die sind so etwas wie das Echo einer Erinnerung an einen Ort, der ihm als ideellen Lebensziel erscheint. Er wird, das kann man gleich festhalten, dieses Ideal nie erreichen.
Denn das Ende kommt dann schneller und anders, als er es erwartet hatte. Weil ein dummer Unfall wegen seines geschwächten Herzens nicht konsequent behandelt werden kann, geschieht das, was er am meisten fürchtet: Maugin stirbt alleine, Alicia kommt zu spät, um in seinen letzten Augenblicken an seiner Seite zu sein.
Simenon entfernt sich mit diesem Roman sehr weit von dem, was man von ihm als Autor der Maigret-Romane erwarten würde. Und das nicht nur, weil „Die Grünen Fensterläden“ kein Kriminalroman ist. Unglaublich dicht erzählt, man dringt gewissermaßen in die Gedanken eines Mannes ein, der in seinem Innersten ein ganz anderer sein möchte, aber seiner Rolle als der des starken, präsenten Schauspielers nicht entrinnen kann; gefangen in einer Spirale der Selbstzerstörung.
Gut möglich, dass man in der Figur des Maugin einen damals (im Jahr 1950 wurde der Roman veröffentlicht) berühmten Mimen hätte erkennen können. So möglich jedenfalls, dass sich Simenon zu einem Dementi als Vorwort zum Roman entschlossen hat.
Das von Wolfgang Matz verfasste Nachwort ergänzt den Roman um viele Details zum Verständnis des Romanes und zu dessen Entstehung; man sollte deshalb diesen Anhang unbedingt lesen!