Louis-Ferdinand Celine: Krieg
Autorin/Autor: Celine, Louis-Ferdinand
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Das Buch habe ich gekauft und bin dann erst einmal lange darum herumgekreist, wie es so auf dem Stapel der ungelesenen lag. Soll ich oder soll ich nicht?
Der Autor, ein mieser Nazikollaborateur, der sich der Ideologie der Nazis zur Gänze anschloss und sie ohne Wenn und Aber zu seiner eigenen machte. Ein abstoßender (um nicht zu sagen: geifernder) Antisemit, der den Mord an den Juden guthieß, einer, der im Jahr 1944 aus Frankreich in von Nazis besetzte Gebiete floh, als die kommende Niederlage der Deutschen unausweichlich war. Damit versuchte er, vergeblich, sich vor den Konsequenzen seiner Unterstützung für Hitler zu entziehen.
Weil meine Position ist, dass man das Werk vom Autor nicht trennen kann, bin ich lange nicht sicher, ob ich einen von so einem Menschen verfassten Roman überhaupt lesen will oder soll.
Auf der anderen Seite die Stimmen zum Buch, die eindeutig von Leuten kommen, die bewiesenermaßen genau gegenteilige Weltsicht von Louis-Ferdinand Céline haben, die das Buch dennoch überschwänglich emporheben.
Erster Schritt:
Das Vorwort lesen, in dem das Leben, der Charakter und die Weltanschauung von Celine sehr detailreich beschrieben werden. Damit ist ja noch nichts passiert, denn das Vorwort stammt von Niklas Bender, der als Romanist, Literaturkritiker der F.A.Z und Privatdozent über jeglichen Verdacht einer geistigen Nähe zu Céline erhaben ist. Nachdem ich das Vorwort gelesen habe, ist die Entscheidung: Lesen ja/nein noch immer nicht einfacher geworden, denn was Bender über den Autor schreibt, das zeichnet das Bild eines überaus abstoßenden Typ Menschen. Also bleibt das Buch weiterhin auf dem Stapel.
Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass dieser Text erst vor kurzem aus einem Nachlass aufgetaucht ist. Es ist kein vollständiger Roman, es fehlen Seiten, ebenso ist es möglich, dass dieser Roman unfertig ist, was sich anhand der erhaltenen Entwürfe nicht eindeutig festmachen lässt.
Das erinnert mich ein wenig an die Verwertung des Nachlasses des großartigen Roberto Bolaño: auch da wurden letztendlich alle beschrieben Zettel, die man fand, verlegt, ohne dass der Autor mitentscheiden konnte, ob er das überhaupt wollte.
(Interims-PS: so eine lange Vorbereitung/Vorgeschichte zum Lesen eines Buches ist auch für mich neu).
Dann doch:
Ich lese das Buch. Lese es und kann den Hype, der in Frankreich dafür sorgte, dass davon schon mehr als 200.000 Exemplare verkauft wurden, nicht im Ansatz verstehen. Es ist vulgär, sprachlich wirr, inhaltlich udn stilistisch gewissermaßen ein Gewaltporno. Die Grundlage zu alledem ist Célines eigene Kriegserfahrung, als er im Ersten Weltkrieg verwundet ins Lazarett kam. Daraus macht er eine Orgie an Absurditäten, die seinem Alter-Ego, dem Soldaten Ferdinand, der ebenfalls verwundet im Lazarett landet, widerfahren. Diesem Ferdinand schreibt der Autor eine Mischung aus verzerrter Erinnerung an selbst Erlebtes und Gewaltphantasien zu.
Dabei beginnt es so, wie man sich einen Antikriegsroman vorstellt, wenn aus der Sicht des Soldaten auf dem Schlachtfeld rundherum die Apokalypse stattfindet. Das ist eine Szenerie, in der jegliche Ideologie durch die Angst und die Verzweiflung im Bombenhagel völlig sinnlos wird.
Zwischen Halbsätzen, Gedankenresten, Fieberträumen und stichwortartiger Erzählweise entsteht ein strukturloser Text, der direkt aus den Abgründen der menschlichen Seele hervorzusteigen scheint. Obwohl es im Grund abstoßend ist, kann ich mich doch trotz aller distanzierten Betrachtung nicht dagegen wehren, dass ich von dieser brutalen Erzählung und diesem kompromisslosen Stil in den Bann geschlagen werde. Weil aber aus jeder Zeile der Mensch herausblickt, der das alles geschrieben hat, finde ich das Buch zugleich mit jeder Zeile unerträglicher.
Zum Schluss:
Beim Versuch herauszufinden, warum dieses Buch so viele Abnehmer gefunden hat, scheitere ich.
Ist es, weil die Rechtsextremen immer mehr als ganz normale Gruppierung angesehen werden? Immerhin liest man hier einen Autor, der heute mit Sicherheit in der Partei der Marie LePen wäre, genauso wie in andere Rechtsaußen-Gruppen wie AFD, FPÖ; quasi ein „intellektuelles Aushängeschild“ dumpfen Rassismus. Oder ist es die bei vielen Kritikern so weit verbreitete Eigenheit, unlesbare Bücher gerade wegen ihrer Unlesbarkeit hochleben zu lassen – als wäre Unlesbarkeit eine Kunst?
Das einzige, was mir aus diesem Roman in Erinnerung bleiben wird, ist, dass auch Faschisten unter Krieg und Gewalt, die sie sich selbst so sehr auf ihre Fahnen geschrieben haben, genauso traumatisiert werden, wie der zivilisiert gebliebene Teil der Menschheit.
Ein Stück monströse Literatur, was es auch wäre, wüsste man nicht, wes Geistes Kind der Autor war.