Buchbesprechung/Rezension:

Jasper Fforde: ROT

Rot
verfasst am 20.02.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Fforde, Jasper
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

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Mehr als vierzehn Jahre hat es gedauert, bis nun endlich die Geschichte der Farbenwelt weitergeht: Eddie Russett ist wieder da!

Wer noch nie ein Buch von Jasper Fforde gelesen hat, wird vor allem eines schnell merken: Er lässt ganze Welten entstehen, die so komplex und durchdacht sind, als würde es das alles wirklich geben. Fforde ist ein wahrer ein Meister der Fantasie-Welten, voller Landschaften, sozialer Strukturen, individuell charakterisierten Bewohnerinnen und Bewohner und Ereignissen, wie geschaffen, um darin einzutauchen und ein ganzes Universum voller Ideen zu erleben.

So jetzt erst einmal genug der Hymnen :-)

ROT ist der zweite Teil der Eddie-Russett-Reihe, die im Jahr 2011 mit dem Roman „GRAU“ begonnen hat. Es ist zwar nicht unbedingt nötig, diesen ersten Teil zu lesen, um in den zweiten hineinzufinden, aber hilfreich ist es doch (wobei ich nach vierzehn Jahren den groben Überblick auch selbst erst wieder mithilfe meiner eigenen Buchbesprechung hervorkramen musste).

Wir befinden uns in einer fernen Zukunft, rund 500 Jahre nach einem nicht weiter bekannten „Gewissen Ereignis“, nach dem die Welt völlig neu gestaltet wurde. Die Einstigen, die die Welt bewohnten, sind dabei verschwunden, so jedenfalls wird es in den Schulen gelehrt. Der Name dieser Welt ist Cromatacia.

Wer war der Große Munsell, der die Regeln erschuf, die im Buch der Harmonie niedergeschrieben sind und nach denen jetzt alle Menschen zu leben haben? Und wann war sie überhaupt, Munsells Epiphanie?

Die Welt nach dem „Gewissen Ereignis“

Wie auch immer, wurden das Wissen und der Zugang zu Wissen dramatisch reduziert und vieles ging verloren. Beispielsweise gibt es keine Autos mehr, außer ein paar jahrhundertealten Ford Modell T, die immer wieder repariert werden. Aber sonst sind Technik, Medizin, Wissenschaft kaum mehr vorhanden, die Welt außerhalb der Dörfer ist weitgehend unbekannt, fremdartig und, so wird es jedenfalls verbreitet, gefährlich und von Wilden, den Asozialen, bevölkert.

Das „Gewisse Ereignis“ führte auch dazu, dass die Menschen nicht mehr alle Farben sehen können. Die Gesellschaft ist jetzt hierarchisch eingeteilt, je nachdem welche Farben jemand sehen kann, ist man einer bestimmten Gruppe zugeordnet und hat bestimmte Rechte und Pflichten. Zudem verleihen einzelne Farben auch Fähigkeiten, weshalb manchmal Verbotenes damit unternommen wird, auch wenn die Folgen davon niemand kennt. Es soll schon Tote gegeben haben.

Tatsächlich ist nichts ist außerhalb dieser Regeln erlaubt, wer sie verletzt, kann sehr schnell eliminiert werden. Dass das Buch der Regeln auch eine Reihe von Fehlern beinhaltet, wissen zwar alle, aber darüber zu reden wagt niemand. Man behilft sich dann eben mit dem, was man darf. Weil, noch ein Beispiel, Handschuhe zwar hergestellt, aber nicht getragen werden dürfen, wird jede neue Lieferung umgehend in Füllungen für Spielzeug oder ähnliches umgearbeitet. Oder die Sache mit den Löffeln, die zwar verwendet, aber nicht hergestellt werden dürfen. In vielen Szenen zeigt sich, wie absurd und widersinnig Regeln sein können – und das liest sich wie ein Seitenhieb auf unser aller Alltag.

GRAU ist die Farbe der arbeitenden Klasse, sie haben die wenigsten Rechte, ohne die Menschen dieser Gruppe würde aber jede Produktion zusammenbrechen. Eddie Russett ist ein (fast) 87%iger ROT-Seher, also einer der besonders Privilegierten. Ein Höhergestellter, was ihn aber nicht daran hindert, das gesamten System infrage zu stellen und gemeinsam mit seiner Freundin Jane Grey und Gleichgesinnten an einem Umsturz zu arbeiten.

Detail für Detail, Fundstück für Fundstück wird die Vergangenheit von Eddie und seinen Freunden entschlüsselt.

Zunächst geht es darum herauszufinden, was VOR dem Ereignis war. Eine Spur scheint die Jahreszahl 2.296 zu sein, die höchste, zu der man bisher aus der Vor-Ereignis-Zeit etwas finden konnte. Es ist ein Kassenbon für einen Käse, ein Hinweis nur, eine kleine Spur, aber bis zu wirklichem Wissen über das Damals ist noch ein weiter Weg.

Mitten hinein in das großartige Fantasy-Universum von Jasper Fforde

Beim Beschreiben von Ffordes Fantasie-Welt fallen mir einige Adjektive ein: überraschend, skurril, aufregend, fantasievoll, großartig, kreativ, genial. Wer sich gerne in fremde Welten entführen lässt, wird mit jedem von ihm veröffentlichten Buch, das ich von bisher gelesen habe (und es sind die meisten) überaus zufriedengestellt.

Gelegentlich nimmt sich Fforde für seine Ideen kleine Anleihen in der wirklichen Welt (und die ist ja oft absurd genug, ohne dass man noch etwas dazu erfinden muss). Da gibt es Regeln, die in recht ähnlicher Art auch in Nordkorea existieren und Vorschriften, die manchen absurden Gesetzen in einzelnen Bundesstaaten der USA (oder anderswo) recht nahekommen.

Nach ein paar Seiten Eingewöhnung ist die Geschichte kann ich mich nicht mehr losreißen. Eddie und Jane entdecken immer mehr, erforschen, in was für einer Welt sie sich befinden und finden mühevoll heraus, was die wenigen Fundstücke aus der Vergangenheit tatsächlich bedeuten.

Was auch immer die beiden herausfinden, was auch immer sie erleben  – immer wieder ergibt sich daraus neues Geheimnis, dem sie nachgehen. Es bleibt durchgehend spannend und mit jeder neuen Entdeckung steigert sich die Vorfreude auf das, was als Nächstes kommen wird. 

Für „ROT“ trifft für mich die Bezeichnung „Pageturner“ völlig zu. 500 Seiten, die wie im Flug vergehen und viel zu schnell gelesen sind. Meine Hoffnung ist, dass es bis zum dritten Teil der Eddie Russett-Trilogie nicht wieder 14 Jahre dauert …

PS: mehr und mehr finde ich eine ferne thematische Verwandtschaft mit Margret Atwoods legendärer „Handmaid„-Reihe.




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