Michaela Lindinger: Marie Antoinette
Zwischen Aufklärung und Fake News – Im Zentrum der Revolution – Königin der Lust
Autorin/Autor: Lindinger, Michaela
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Gertie
Online bestellen:
Ein etwas anderer, ein feministischer Blick auf Marie Antoinette
Marie Antoinette – ihrer Zeit voraus oder Opfer von Intrigen?
Über Marie Antoinette (1755-1793) sind schon viele Meter Bücher geschrieben worden – gute wie schlechte. Diese Biografie von Michaela Lindinger betrachtet die letzte Königin Frankreichs aus einem etwas anderen, aus einem feministischen Blickwinkel.
Wer ist sie nun oder wer könnte sie sein, die Erzherzogin Maria Antonia von Habsburg-Lothringen, die in ihrem kurzen Leben die unten stehenden fünf Namen getragen hat?
- Maria Antonia Josepha Johanna von Österreich-Lothringen, Erzherzogin von Österreich (1755-1770)
- Marie Antoinette, Dauphine von Frankreich (1770-1774)
- Marie Antoinette, Königin von Frankreich und Navarra (1774-1792) Antoinette
- Capet (1792-1793)
- Witwe Capet (1793)
Weiters erzählt die Autorin nach penibler Recherche das Leben Marie Antoinettes in fünf Abschnitten:
- Zähne zeigen – im Land des Lächelns
- Teenage Angst – ein Kind an zwei Höfen
- Die Königin, ihr Mann, ihre Freundinnen und ihr Liebhaber – Les liaisions très dangereuses
- Fake News damals – die Frau in der Revolte
- Heroine – Bild und Image einer „Killer-Queen“
Geboren ist sie als eine der zahlreichen Töchter Maria Theresias, die als dynastisches Heiratsgut gelten. Schon bald nach der Geburt beginnen die Verhandlungen, um eine möglichst vorteilhafte Heirat zu arrangieren. Vorteilhaft nicht für die junge Braut, sondern vorteilhaft in erster Linie für das Hause Habsburg-Lothringen. Dafür wird (fast) alles getan. Man korrigiert Tonis Gebiss mit einem Drahtgestell, damit sie immer schön lächelt.
Das Buch beginnt mit der Schilderung des wahrhaft märchenhaften Brautzugs der fünfzehnjährigen Braut, die alles, was sie bisher gekannt und geliebt hat, zurücklassen muss, um in eine ungewisse Zukunft zu reisen. Es mag ja betörend klingen, Gemahlin des Dauphins zu werden, aber die raue Wirklichkeit sollte junge Braut bald einholen.
Marie Antoinette entspricht so gar nicht den Erwartungen der Höflinge und der Bürger. Statt still lächelnd im Hintergrund zu bleiben, tritt sie (übertrieben?) selbstbewusst auf. Sie hat ja ihre Mutter Maria Theresia vor Augen, die als Herrscherin über einen Vielvölkerstaat regiert. Marie Antoinette versucht sich in diesem intriganten Königshaus, in dem Mätressen seit je her mehr zu sagen hatten, als die jeweilige Königin, zu behaupten. Doch egal was sie macht, es wird ihr immer angekreidet. Während man vom König erwartet, ja quasi fordert, seine Potenz durch zahlreiche Mätressen zu beweisen, wird man Marie Antoinette bespitzeln und ihr zahlreiche Affären wie u.a. mit Graf Axel von Fersen unterstellen.
Es ist kaum vorstellbar, dass eine solche Affäre wirklich stattgefunden hat, denn die Königin wird auf Schritt und Tritt von Hofdamen begleitet. Sie hat nicht einmal auf dem Nachttopf ihre Privatsphäre. Hat man sie zuvor nur als unmoralisches Luxusgeschöpf verunglimpft, so wird Marie Antoinette aufgrund zahlreicher Fehler ihres Mannes und der dem drohenden Staatsbankrott nun für die revolutionären Kräfte zum allgemeinen Feindbild, zur Verkörperung des verhassten Regimes.
Aufmerksamen Leserinnen werden einige Parallelen in der Gegenwart auffallen. Marie Antoinette wird zwar nicht als Modeikone kopiert, wie die zahlreichen heutigen weiblichen Royals, aber Nachahmerinnen ihres Stils gibt es dennoch. Ähnlich wie bei den Adeligen von heute, hat die gehässige Meute sie auf Schritt und Tritt beobachtet, und auf einen peinlichen Fauxpas und unpassendes Mienenspiel gewartet.
Der einzige, aber gewichtige Unterschied: Heute wird nicht mehr geköpft. Doch ob der Rufmord durch Social Media tatsächlich besser ist, bleibt dahingestellt.
Marie Antoinette ist wohl die berühmteste der verkauften Töchter Habsburgs. Ihren Nichten, Marie Louise (sie wird Napoleon heiraten) und Leopoldine (wird Kaiserin von Brasilien), wird es nur wenig später ähnlich ergehen. Marie Louise wird als Gräfin Neippberg und danach als Gräfin Bombelles ein spätes Glück finden, Dona Leopoldina (der Ursula Prutsch in der selben Reihe ein Buch gewidmet hat) einen frühen Tod. Sie stirbt nach einer Fehlgeburt, die, wie die Fama zu berichten weiß, durch Misshandlungen ihres Mannes ausgelöst worden sein soll.
Tu felix Austria nube! Gilt eher der Dynastie als der einzelnen Braut.
Fazit:
Mir hat diese ungewöhnliche Biografie sehr gut gefallen. Rosa ist zwar nicht meine bevorzugte Farbe, aber in Optik, Haptik und gesamter Aufmachung passt diese Biografie sehr gut in die Reihe „Reihenweise kluge Frauen“. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.