Peter Blickle: Die Erbschaft
Autorin/Autor: Blickle, Peter
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Der reiche Onkel aus Amerika – Wunschtraum vieler Generationen – der seinen armen Verwandten in Europa als Alleinerben einsetzt. Der Onkel Johannes und der Neffe Daniel: zeitlebens gab es nur wenig Verbindung, denn der Onkel lebte schon jahrzehntelang in Amerika, während Daniel es sich nicht leisten konnte, dorthin zu reisen.
So beginnt dieser Roman über das Erben und was es Menschen Gutes, aber auch Übles bescheren kann. Von Anfang an sollte man sich darauf einstellen, dass Peter Bickle keine todernste Geschichte erzählt, sondern eine mit Augenzwinkern, die manchmal in Satire umschwenkt. Satire über das „Leiden“ junger Männer, die aus dem Status „Gerade-so-über-die Runden-kommen“ unverhofft in den Status „Wie-kann-ich Steuern-sparen“ rutschen.
Zu Beginn also muss Daniel zunächst einmal den Onkel kennenlernen, was auf zwei Ebenen geschieht:
Die eine beschreibt, was von einem Menschen übrig bleibt, nachdem er die Welt verlassen hat. Zunächst zusammenfasst in dem Brief, den eine Anwaltskanzlei aus der Nähe von Detroit an Daniel schickt. Er liest über Vermögenswerte, Zahlen, Gegenstände, aber das bringt Daniel dem Onkel, den er kaum gekannt hat, kaum näher,
Und dann das Haus des verstorbenen Onkels. Was er um sich hatte, was alles im Haus lag, Dinge, Lebensmittel, Akten, Bücher, die Johannes für seinen Alltag angeschafft hatte und die nun niemand mehr verwenden würde.
Zwei Fragen stehen über allem: wieso hat Onkel Johannes ausgerechnet ihm, Daniel, alles vermacht, ihn als Alleinerben eingesetzt. Und wie kam der Onkel zu seinem Millionenvermögen, denn mit seinem bescheidenen Einkommen als Collegeprofessor lässt sich das nicht erklären?
Daniel ist nach Amerika gereist, um vor Ort alle Angelegenheiten zu regeln. Eine Anwältin, vom Onkel beauftragt, führt ihn in die Untiefen des amerikanischen Steuerrechts ein und erweckt bei Daniel zunächst einmal eine Reaktion: Er ist erschrocken, wie viel vom Millionenvermögen an Gebühren, Steuern, Provisionen zu zahlen sein wird. Auch wenn am Ende noch weit mehr übrig bleiben wird, als Daniel in seinem Leben jemals verdient hätte, so beschäftigt ihn dieser „Verlust“ (der doch keiner ist, weil er auch am Ende noch reich sein wird) ab jetzt Tag und Nacht.
Wie lange kann jemand, eben ein Mensch wie Daniel, bei seinen Überzeugungen bleiben. Gegen die ungleiche Verteilung des Geldes hatte er doch immer seine Meinung gesagt. Und so stellt sich bei seinem Verhalten natürlich die Frage: Haben wir alle eine Grenze, ab der unser Idealismus sich dem schnöden Mammon beugt?
Während sich überall auf der Welt eine Katastrophe an die andere reiht, sitzen einige Leute vor ihren Bildschirmen und tun nicht anderes als zu spekulieren. Der Onkel, womit die Frage nach dem Reichtum beantwortet wird, war einer von denen; so wie es aussieht, wurde das in den letzten Jahren seines Lebens zu seiner Hauptbeschäftigung und verschaffte ihm außerordentliche Gewinne. Daniel wird hineingerissen, ob er will oder nicht, in diese virtuelle Welt von Prozenten, Kurzgewinnen und Kursverlusten. Dort hinein, wo ein Zehntel Prozent mehr Geld ist, als Leute wie er im Jahr verdienen. Daniel ist jetzt dabei und es wird zur Sucht.
Daniels Stunden und Tage der Unsicherheit, was er tun soll, seine Sorgen darüber, wie er möglich viel vom Erbe erhalten kann. Dazu seine Furcht, Entscheidungen zu treffen und dann meist das tut (oder unterschreibt), was ihm jemand vorlegt.
Der „arme“ Erbe wird im Laufe des Romanes zu einem Charakter, der immer vertrauter wird, immer mehr versteht man seine Beweggründe und seine Verunsicherung und immer mehr mag man ihm zurufen, doch dann und wann eine andere Entscheidung zu treffen. Es stellt sich langsam heraus, dass so eine Erbschaft an erster Stelle eine Belastung sein kann und erst an zweiter Stelle eine Freude ist.
Das alles ist amüsant zu lesen, wenn auch gelegentlich ein paar ernstere Aspekte durchschimmern. Einer davon ist ganz bestimmt, dass überall dort, wo größere Geldbeträge schlummern, bald Leute auftauchen, die einen Teil davon abhaben wollen. Schwierig, dann das Richtige zu tun und nicht zu vertrauensselig zu sein.
Ein Roman, den ich wirklich mit Freude gelesen habe. Warum es dann nicht die 5-Sterne-Bewertung wurde? Weil ich die Auflistungen von Zahlen, Kursen, Aktien, etc. manchmal dann doch etwas als zu ausufernd empfand (aber diese Abschnitte habe ich später im Buch schon einmal quergelesen).